70 Jahre und kein bisschen leiser: Die ehemalige Justizministerin und langjährige Tübinger SPD-Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin feiert am 12. August ihren 70. Geburtstag. Happy Birthday!

Tübingen - Von Gelassenheit oder gar Altersmilde ist Herta Däubler-Gmelin weit entfernt. Am Montag feiert die SPD-Politikerin und ehemalige Bundesjustizministerin ihren 70. Geburtstag, was weder Temperament noch Engagement der Tübingerin beeinträchtigt. Da braucht nur Kanzlerin Angela Merkel von marktkonformer Demokratie zu reden, und die streitbare Juristin ist „blitzartig auf der höchsten Palme“, wie sie selbst sagt. Eben hat sie als Prozessbevollmächtigte des Bündnisses „Mehr Demokratie“ vor dem Verfassungsgericht gegen den Eurorettungsschirm geklagt, um den nationalen Parlamenten mehr Mitsprache zu sichern.

 

Auch wenn sie sich 2009 nach 37 Jahren als Abgeordnete aus dem Bundestag zurückgezogen hat, kämpft Herta Däubler-Gmelin unverändert für Demokratie und Menschenrechte. Sei es in Afrika, wo sie sich seit 25 Jahren vor allem für die Länder südlich der Sahara einsetzt, sei es im Jemen oder in Tunesien, wo die Juraprofessorin unter anderem die Verfassungsberatungen unterstützt. In China lehrt sie als Gastprofessorin an der Tongij-Universität in Shanghai und hat den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog angestoßen.

Auch in Deutschland macht die kämpferische Anwältin Menschenrechtsverletzungen aus. Datenskandale bei der Telekom und der Deutschen Bahn riefen sie ebenso auf den Plan wie die NSA-Affäre. Als Abgeordnete nicht gerade für ihre Diplomatie bekannt, hat sich die Juristin doch schon mehrfach als Schlichterin bewährt.

Sie sieht sich als Politikerin und Juristin gleichermaßen

Im Grunde setze sie ihre Arbeit aus dem Bundestag fort, sagt Däubler-Gmelin. „Ich war immer beides, Politikerin und Juristin“. Die Schwäbin „mag’s nicht so hochgestochen“, doch das lässt die strenge Kritikerin dann doch gelten: Der Einsatz für die Menschenwürde sei schon ein Leitmotiv ihres Handelns. Darin fügt sich nahtlos die Funktion als Schirmherrin der deutschen Hospizbewegung ein. Als solche fordert Däubler-Gmelin: „Die menschliche Zuwendung muss zum Maßstab im deutschen Gesundheitswesen werden“.

Die längste Zeit ihres bisherigen Lebens war die Tochter des damaligen Tübinger Oberbürgermeisters Bundestagsabgeordnete. Die selbstverwaltete freie Universität hatte die Studentin nach Berlin gelockt. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt fasziniert sie mit seinem offenen Gesellschaftsbild und bringt sie 1965 zur SPD. 1972 zieht die Genossin bei der „Willy-Wahl“ als 29-jährige junge Mutter in den Bundestag ein. Sie feierte Erfolge und erleidet deftige Niederlagen. „Niederlagen schmerzen, das ist klar“, konstatiert Däubler-Gmelin heute kühl. Doch der Schmerz sei heute vorbei, genau so sei das mit den Erfolgen. „Erfolge beeindrucken einen auch nicht so arg“.

Als Justizministerin stemmte sie eine respektable Reform

Andere hat sie schon beeindruckt. Besonders als Justizministerin, die sie von 1998 bis 2002 war. Da hat sie eine Justizreform gestemmt, die ihr über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung eingetragen hat. Sie ändert das Lebenspartnerschaftsgesetz für gleichgeschlechtliche Paare. Die CDU spuckte Gift und Galle, doch die Gesetze haben Bestand. Die Ministerin macht sich für eine europäische Grundrechtscharta ebenso stark wie für den internationalen Strafgerichtshof. 1998 holt sie zum ersten Mal in Tübingen das Direktmandat für die SPD, schon 1988 hatte sie es als erste Frau zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD gebracht.

Eine schmerzliche Niederlage muss Däubler-Gmelin 1991 bei der Wahl des Vorsitzenden der Bundestagsfraktion einstecken. Nicht sie, sondern Hans-Ulrich Klose wird Nachfolger von Hans-Jochen Vogel, obwohl sie im ersten Wahlgang die meisten Stimmen bekommen hatte. Klose machte das Rennen, weil der dritte Bewerber zu seinen Gunsten zurückgezogen hatte. Das sei verschmerzt, sagt sie heute.

Verschmerzen musste sie auch die Intervention von Wolfgang Schäuble, der verhinderte, dass die brillante Juristin 1993 Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts wurde. Schäubles Argument: die zum linken Flügel der SPD gerechnete Däubler-Gmelin sei zu politisch.

Im Wahlkampf stolperte sie über ihre Bush-Äußerungen

Am schwersten stolperte die Politikerin über sich selbst. Kurz vor der Bundestagswahl 2002 kritisiert sie vor Betriebsräten im Tübinger Stadtteil Derendingen George W. Bushs Irakpolitik mit der Bemerkung, der US-Präsident wolle damit von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken, das kenne man schon seit Adolf Hitler. Sie dementiert in der ihr eigenen Hartnäckigkeit und kann sich doch nicht als Ministerin halten. Auch das, verschmerzt, sagt sie, und merkt doch an, sie finde die Recherche zu der Affäre nach wie vor unsauber

Scharfzüngig, rechthaberisch, mit einer ausgeprägten Tendenz das letzte Wort zu behalten, war und ist die selbstbewusste Rechtspolitikerin bei vielen ihrer Genossen eher gefürchtet als beliebt. Wenn Däubler-Gmelin am Ende ihrer Ausführungen noch ein ultimatives „gell“ abfeuert, zuckt der Kontrahent im Diskurs erst mal zusammen und braucht Zeit sich zu sammeln. Doch es gebe auch politische Freundschaften, betont „Herta“, wie sie in der Partei weithin genannt wird. Heute träten ihr viele Menschen, wo auch immer „ausgesprochen freundlich gegenüber“. Das freut die Mutter zweier Kinder und Großmutter dreier Enkel aufrichtig.

Ihr Engagement lässt nicht nach. „Ich werde das weitermachen, so lange es meine Gesundheit zulässt“, sagt die bald Siebzigjährige. „Nur weil ich nicht mehr im Bundestag sitze, höre ich ja nicht auf, mich um das Schicksal der Menschen zu kümmern.“