Kurz vor seinem letzten Auftritt im Heute Journal spricht der Moderator über sein Verständnis von Journalismus und kritisiert einen journalistischen Konsens.

Hamburg - . Nach Ansicht des scheidenden „heute journal“-Moderators Claus Kleber halten nicht alle Kollegen die Grenze zwischen Aktivismus und Journalismus ein. „Was ich oft höre von Moderatoren, insbesondere im Hörfunk, lässt mir die Hutschnur hochgehen, mit welcher Selbstverständlichkeit da Urteile abgegeben werden, von Leuten, die sich erkennbar mit der Sache nie vertieft beschäftigt haben“, sagte Kleber der „Zeit“ laut Vorabmeldung vom Mittwoch. Solche Automatismen im Kopf seien nichts anderes als „Denkfaulheit“.

 

Ideologie sei für einen Journalisten „immer der faulste Weg“, sagte Kleber, der am Donnerstag zum letzten Mal das „heute journal“ moderiert. Wer eine bestimmte Weltanschauung abonniert habe, brauche nicht mehr lange nachzudenken und zu recherchieren, da schon alle Entscheidungen gefallen seien. „Ideologie vergiftet den Journalismus“, sagte er. Journalisten müssten immer wieder infrage stellen, ob das, was sie am Abend zuvor gesagt haben, der Überprüfung standhält.

Mehr Konfrontation wagen

Kleber kritisierte zudem, dass ein journalistischer Konsens die Oberhand gewonnen habe. „In der Redaktion haben wir jeden Tag strittige Debatten, trotzdem machen wir Sendungen, die den Zuschauern nicht das Gefühl geben, dass dort Meinungen aufeinanderstoßen“, sagte er der „Zeit“. Selbst die Kommentare im Öffentlich-Rechtlichen seien oft eher „Besinnungsaufsätze“. „Vielleicht sollten wir uns wieder konfrontative Formate trauen“, sagte er.

Der Job des Journalisten habe sich mehr verändert als jeder andere Job, sagte Kleber. Dies betreffe die Art der Recherche, die Machart des Programms und die Rezeption des Publikums in den vergangenen 20 Jahren. Dabei übte er auch Selbstkritik: „Ich glaube, dass wir Journalisten unseren Beitrag dazu geleistet haben, dass es eine große Gruppe von Menschen gab und gibt, die sich in den Medien nicht mehr vertreten sehen - Menschen mit einem konservativen Wertekostüm in Religion, Familie, Nation.“

Kleber steht am 30. Dezember nach knapp 3.000 Sendungen zum letzten Mal als „heute journal“-Moderator vor der Kamera. Der 66-Jährige arbeitete seit 2003 als Hauptmoderator des Nachrichtenmagazins, seit 2009 auch als Redaktionsleiter. Zuvor war der promovierte Jurist für die ARD als Korrespondent in den USA und später in Großbritannien tätig.