Nach dem Vinyl-Hype ist die Hi-Fi-Szene jetzt im Magnetbandfieber.

Stuttgart - 1960 erschien B. Burtschers Jugendbuch „Der Tonbandclub“. Ein technikbegeisterter Junge möchte unbedingt ein solches Tonaufnahmegerät besitzen, kann es sich aber nicht leisten. Um seinen Traum zu verwirklichen, gründet er mit Freunden den Tonbandclub.

 

Wer die Vorgänger von Speicherkarten, Festplatten sowie DAT- oder CD-Rekordern noch schätzt, sollte vielleicht wieder einen Club gründen: Auf der Messe High End stellte die Düsseldorfer Firma Roland Schneider Precision Engineering neue Tonbandgeräte vor – für mehr als 11 000 Euro (siehe Bild unten). Markenname: Ballfinger.

Der einst in der Schweiz gegründete Plattenspielerspezialist Thorens, jetzt in Bergisch Gladbach ansässig, gründet das eigene Modell TM 1600 auf dem Ballfinger-Laufwerk und hat ähnliche Preisvorstellungen. Technisch ist die Sache klar: Ein mit professionellem Equipment aufgenommenes Tonband schlägt jede Vinylscheibe um Längen – es rumpelt und knistert nichts, anders als bei Vinyl bleibt die Qualität über die gesamte Länge der Aufnahme konstant. Legale Kopien von ursprünglich für Schallplatten benutzten Masterbändern wechseln für mehr als 100 Euro den Besitzer.

Ein faszinierender Anblick

Technisch sind sie Vinyl überlegen. Das Band in Fühlhebel und Kopfbrücke einzufädeln, ist ein ähnliches Hochamt, wie eine Schallplatte aufzulegen. Und wenn sich dann die großen Spulen oder Teller mit 38 Zentimeter pro Sekunde in Bewegung setzen, ist das einfach ein faszinierender Anblick.

Klar ist aber auch: Im Jahr 2019 sind Tonbandgeräte pure Liebhaberei – jede CD klingt besser. Wem deren Qualität nicht reicht, der kann auf die hochauflösende Super-Audio-CD oder sogenannte Hi-Res-Audiodateien ausweichen. Klanglich hochwertige Wiedergabegeräte für diese Formate gibt es für wenige Hundert Euro. Auch zur Aufnahme taugen die Maschinchen nur bedingt. Zwar liefert die Firma RecordingTheMasters noch neue Leerbänder, aber jeder kleine Audiorekorder für deutlich unter 1000 Euro nimmt in besserer Qualität auf, läuft abseits des Stromnetzes und passt in die Westentasche.

Aber rational spricht auch rein gar nichts für Vinylschallplatten. Dennoch boomt diese Branche, werden Alben neu aufgelegt, blüht das Geschäft mit Plattenspielern samt Zubehör.

Es entstand ein undurchschaubares Format-Wirrwarr

Zudem sieht die Sache anders aus, wenn man noch wertvolle Aufnahmen auf Magnetband besitzt, die man wieder hören und in moderne Formate überführen will. Die Krux: Über die Jahrzehnte entstand ein undurchschaubares Format-Wirrwarr – man muss das zur Aufnahme passende Tonbandgerät haben.

An Amateurgeräten waren als Bandtransportgeschwindigkeit 9,5 und 19 cm/s gängig, gelegentlich auch noch 4,75 cm/s. (Semi-)Professionelles Equipment läuft mit 19 und 38 cm/s, manche Maschinen kannten auch noch 76 cm/s.

Als Erstes muss ein Wiedergabegerät also die richtige Bandgeschwindigkeit unterstützen. Die üblichen Heim-Tonbandgeräte zeichnen auf dem 6,35 Millimeter schmalen Band vier Spuren auf. Für Stereoaufnahmen sind in der einen Richtung die Spuren eins und drei belegt, in der Gegenrichtung dann zwei und vier. Für solche Aufnahmen braucht man also ein Vierspurgerät – für die raren, aber durchaus vorhandenen Quadrofonieaufnahmen muss es gar ein Vierspur-Vierkanalgerät sein. Anspruchsvolle Amateure, aber auch Rundfunk und Tonstudios hingegen setzen auf Zweispurtechnik – bei Stereoaufnahmen ist das Band nur in eine Richtung zu nutzen. Hier wird’s jetzt haarig: Zweispurgeräte gab und gibt es mit einer Spurbreite von zwei, 2,5 und 2,75 Millimetern. Die letzten beiden Formate sind in Studiogeräten üblich. Die Zwei-Millimeter-Geräte spielen Aufnahmen mit breiteren Spuren problemlos ab – wer aber tatsächlich aus Studioaufnahmen die maximale Qualität herausholen oder gar neue Aufnahmen in bester Qualität produzieren will, nimmt wohl eher die größte Spurbreite.

Die korrekte Wiedergabe ist nicht unkompliziert

Auch Rekorder mit Studio-Bandgeschwindigkeit und -spurbreite arbeiten nicht rauschfrei. Zusätzliche Rauschunterdrückungssysteme („Kompander“) schafften Abhilfe. Aber: Wenn eine Aufnahme damit erstellt wurde, braucht man die entsprechende Technik auch für die korrekte Wiedergabe.

Beim Rundfunk war das von Telefunken entwickelte Telcom C4 gängig, in Tonstudios Dolby A, später SR. Laut Uwe Wagner, Inhaber der Hamburger Firma WL-Service (wlservice.de), gibt es diese Zusatzgerätschaften noch auf dem Gebrauchtmarkt. Wenn die Aufnahmen ohnehin digitalisiert werden sollen, geht es auch ohne: Die Kanadier Richard Hess und John Dyson bieten unter dhnrds.com Computersoftware an, die die Kompander digital nachbildet. Man digitalisiert die mit Kompander aufgenommenen Bänder also per Soundkarte ohne die Kompander-Schaltung – der Computer berechnet dann das ursprüngliche Signal.

Lohnt der Kauf von teuren Bandmaschinen?

Aber lohnt sich der Kauf einer der vorgestellten, sündhaft teuren Bandmaschinen? Zweifellos sind es technisch herausragende Geräte. Wer sich im Gebrauchtmarkt umschaut, findet allerdings die praktisch unverwüstliche Telefunken-Studio-Bandmaschine M 15 (A), M 21 oder Modelle von Studer, Otari, Tascam und anderen gebraucht für 1800 bis rund 3500 Euro.

Vierspur-Amateurgeräte gibt es unter 1000 Euro. Neben der erwähnten Firma WL-Service warten und reparieren etwa Triplex in Gau-Algesheim oder das Entwicklungsbüro Rehn in Ludwigshafen alte Tonbandgeräte-Schätzchen.

Sollen nur einige wenige wertvolle Bandaufnahmen gerettet werden, ist ein Dienstleister aber meist die bessere Wahl – etwa das Tonstudio Bauer in Ludwigsburg.