Opfer von Straftaten finden beim Weißen Ring Unterstützung, unter anderem von Reiner Mischer aus Leinfelden-Echterdingen. Die Hilfsorganisation sucht aktuell vor allem weibliche Ehrenamtliche. Das hat einen Grund.

Lokalsport: Patrick Steinle (pst)

Leinfelden-Echterdingen - Der Weiße Ring ist eine Hilfsorganisation, die Opfer von Kriminalität und Gewalttaten unterstützt. Im vergangenen Jahr kamen 118 betroffene Personen zu der Außenstelle Esslingen, 59 dieser Vorgänge waren jedoch kein Fall für den Weißen Ring. Sie wurden weitervermittelt. Die Stabstelle hat ihren Sitz in Leinfelden-Echterdingen. Dort hat Reiner Mischer die Leitungsposition inne. Der Polizeihauptkommissar außer Dienst ist seit mehreren Jahren aktiv beim Weißen Ring. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt er, was das Besondere an seiner Aufgabe ist und wie er damit umgeht.

 

Herr Mischer, was für Menschen betreuen und unterstützen Sie?

Das sind alles Menschen, die Opfer von Straftaten oder Kriminalität wurden. Da ist die Bandbreite sehr groß. Es geht dabei von Diebstahl, Betrug oder Vergewaltigungen bis hin zu Körperverletzungen oder sogar Mord.

Wie helfen Sie den Menschen?

Das Wichtigste ist, dass man ihnen zuhört. Sie sind oft erst einmal geschockt. Nach der Tat geben sie eine Anzeige bei der Polizei auf. Das ist für sie natürlich ungewohnt. Wenn es gewünscht ist, begleiten wir die Personen auch zur Polizei und unterstützen sie bei den Behördengängen. Gerade nach Vergewaltigungen sind die Opfer meist traumatisiert. Wir knüpfen dann den Kontakt zur Traumaambulanz in Esslingen. Durch lange Zusammenarbeit bekommen wir schneller einen Therapieplatz. Ansonsten müsste man ewig darauf warten.

Wie sehr lassen Sie die Schicksale an sich selbst heran, Herr Mischer?

Es gibt schon Sachen, da schluckt man erst einmal. Man muss eine gewisse Distanz bewahren. Sicherlich gibt es Fälle, die einem nahegehen. Doch es braucht eine professionelle Distanz. Wir kommunizieren auf einer sachlichen Ebene. Das heißt aber nicht, dass ich kein Mitleid habe.

Steigen die Zahlen der Opfer respektive die Zahl der Leute, die zu Ihnen kommen?

Ich glaube, dass beide Zahlen steigen. 2017 kamen 44 Opfer zu unserer Außenstelle in Leinfelden-Echterdingen, im vergangenen Jahr waren es 118. Die Opfer gehen zur Polizei, dort bekommen sie den Hinweis, dass es den Weißen Ring gibt. Manche Opfer wollen unsere Hilfe nicht annehmen, andere hingegen kommen direkt zu uns. Das war aber auch vor drei Jahren schon so. Ich denke, dass die Fälle von Kriminalität steigen. Besonders sexueller Missbrauch, Vergewaltigung und häusliche Gewalt nehmen zu.

Sie suchen vor allem weibliche ehrenamtliche Helfer, warum?

In unserer Außenstelle arbeiten zwei Frauen und fünf Männer. Eine der beiden Damen fällt aufgrund einer Krankheit länger aus. Dabei wollen wir Opfern von Vergewaltigung lieber eine Frau an die Seite stellen. Unsere einzige übrig gebliebene Dame kann das nicht alleine stemmen. Warum es so wenige weibliche Helfer bei uns gibt? Das ist eine gute Frage. Vielleicht herrscht eine gewisse Scheu. Das ist aber nicht nötig. Interessierte laufen zweimal mit erfahrenen Ehrenamtlichen mit und können dann entscheiden, ob es was für einen ist. Danach besucht man noch Seminare, wir lassen ja niemanden einfach so los. Weibliche Helfer wären auf jeden Fall sehr wünschenswert.

Der Weiße Ring: Die Hilfsorganisation wurde 1976 in Mainz gegründet. Das Ziel war es schon damals, Kriminalitätsopfer zu unterstützen. Bundesweit zählt der Verein mehr als 3000 ehrenamtliche Helfer.

Zur Außenstelle in Leinfelden-Echterdingen nahmen im Jahr 2019 insgesamt 118 Betroffene Kontakt auf. Neun davon aus L.-E., zudem suchten 13 Filderstädter Hilfe beim Weißen Ring.

Gewaltopfer oder aber Menschen, die sich engagieren wollen, können sich an Reiner Mischer wenden unter der Telefonnummer 0711/9 07 89 21.