Die grün-schwarze Landesregierung will Wanderarbeitern helfen, die von ihren Arbeitgebern übers Ohr gehauen werden – zum Beispiel, wenn ihnen der Lohn vorenthalten wird. Darüber berät nun ein Expertengremium.

Stuttgart - Es sind Fälle wie dieser, welche die Landesregierung jetzt aktiv werden lassen: Ein slowenischer Elektroinstallateur hatte für eine Baufirma auf großen Baustellen in Schwäbisch Hall und Stuttgart gearbeitet, für die letzten Monate seiner Tätigkeit aber keinen Lohn mehr erhalten. Erst wurde er hingehalten, dann bekam er die kalte Schulter gezeigt.

 

Kein Einzelfall, sagt Stanislava Rupp-Bulling vom Projekt „Faire Mobilität“, das vom DGB getragen wird und sich an Wanderarbeiter aus Mittel- und Osteuropa wendet, die Beratung und Hilfe suchen. Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende Gabriele Frenzer-Wolf sagt: „Unabhängig von ihrer Herkunft müssen Menschen zu fairen Bedingungen bei uns arbeiten können.“ Dies sei bei Migranten oft nicht der Fall. „Deshalb ist es gut, dass die Landesregierung den im Koalitionsvertrag angekündigten Runden Tisch zum Thema Menschenhandel jetzt einrichtet.“

An diesem Freitag trifft sich das Gremium erstmals. Die Federführung liegt beim Wirtschaftsressort von Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Die CDU-Politikerin ist überzeugt: „Die überwiegende Zahl der Arbeitgeber in unserem Land verhält sich rechtskonform und fair.“ Strafbare Handlungen jedoch müssten aufgedeckt und verfolgt werden. „Wir wollen in Baden-Württemberg menschenwürdige Bedingungen für alle.“ Zu den Zielen des Runden Tisches zählt, den ausländischen Beschäftigten einen schnellen und einfachen Zugang zu Beratung und Information zu eröffnen. „Betroffene müssen in der Lage sein, ihre Rechte wirksam in Anspruch nehmen zu können“, heißt es in einem Diskussionspapier des Ministeriums.

Manchmal werden ganze Monatslöhne vorenthalten

Das Projekt „Faire Mobilität“ des DGB zählt mit Büros in Stuttgart und Mannheim zu den bestehenden Beratungsangeboten. Im Südwesten finden die Wanderarbeiter nach Auskunft von Rupp-Bulling vor allem in der Metall- und Elektroindustrie Arbeit, auf dem Bau und im Transportgewerbe. Manche kommen auf eigene Faust, andere in ganzen Busladungen, die von Vermittlern gegen Provision organisiert werden. Etliche Firmen suchen im Osten selbst nach billigen Arbeitskräften.

„Arbeitsausbeutung gibt es in vielen Abstufungen und Schattierungen“, sagt Rupp-Bulling. Manche Beschäftigte bekommen nur einen Teil des Lohnes, der ihnen zusteht. „Da werden ganze Monatslöhne vorenthalten oder von 180 Arbeitsstunden im Monat nur 80 ausbezahlt.“ Und immer wieder versuchten Firmen, die Wanderarbeiter übers Ohr zu hauen. Überstunden werden nicht vergolten, überteuerte Mieten für überbelegte, manchmal elende Unterkünfte verlangt. Gerade in diesen Fällen scheuen die Betroffenen vor Protesten zurück, weil sie bangen, ihren Job zu verlieren, wenn sie sich über die Unterbringung beschweren. Zudem verfügen sie meist über nur geringe oder keine Deutschkenntnisse. Die Arbeitsverträge, die sie unterschreiben, verstehen sie oft gar nicht. Ein Brennpunkt beim Menschenhandel ist die Prostitution. Dieses Thema wird jedoch vom Sozialministerium bearbeitet.

Mindestens den Mindestlohn

Die eigentliche Ursache des Problems liegt im Wohlstandsgefälle zwischen den Ländern im Osten und der Mitte Europas. Die wird kein Runder Tisch in Stuttgart lösen. In Baden-Württemberg menschenwürdige Arbeitsbedingungen durchzusetzen und eine „gerechte Entlohnung auf der Grundlage unserer Rechtsordnung“, formuliert jedoch das Wirtschaftsministerium als Ziel. Das bedeutet: mindestens der Mindestlohn respektive der Branchenmindestlohn muss gewährleistet sein. Um dies zu erreichen, sollen die Beratungsangebote ausgebaut werden. Behörden und Öffentlichkeit sollen für Anzeichen von Menschenhandel zum Zwecke der Arbeitsausbeutung sensibilisiert werden. Geplant ist auch ein Handlungsleitfaden, der aufzeigt, wie Betroffenen geholfen werden kann.