Es gibt viele Hilfsangebote für Obdachlose im Kreis Ludwigsburg. Das Beispiel des „Winteressens“ in Ditzingen zeigt, worauf es dabei wirklich ankommt – und wie viel Arbeit dahinter steckt.

Ditzingen - Sein Blick ist interessiert, der 69-Jährige beobachtet genau, was in dem Raum passiert. Vor 20 Jahren ist er aus Russland eingewandert, seither lebt er in Ludwigsburg. Die Familie ist weit weg, der Rentner viel alleine, hat wenig Kontakt zu anderen. Und nur eine schmale Rente. Seinen Namen will er nicht nennen. „Sagen wir: Iwanow“, meint der Mann mit Glatze und den hellen, blauen Augen.

 

Er ist einer von 100 Gästen, die zum so genannten Winteressen ins Ditzinger Gemeindezentrum Sankt Maria kommen. Seit 25 Jahren gibt es diese Aktion schon. „Am Anfang hatten wir nur neun Gäste“, sagt Sigrid Achi, die zu den Gründerinnen der Aktion gehört. Die frühere Grundschulrektorin erinnert sich, wie das Hilfsangebot immer größer wurde. Inzwischen können die Gäste auch im ersten Stock Klamotten aus der Kleiderkammer mitnehmen. Dazu gibt es Rindersuppe mit Leberknödeln, Fleisch mit Gemüse und zum Nachtisch selbst gebackenen Kuchen. Alles frisch zugebereitet, kein Kantinenessen.

Die Besucher in Ditzingen loben die „persönliche Atmosphäre“

Für Iwanow ist der Ditzinger Treff ein wichtiger Anlaufpunkt, schon drei oder vier Mal war er da. „Ich gehe auch zur Vesperkirche in Stuttgart oder zu der in Ludwigsburg“, sagt er, „aber hier ist es viel persönlicher.“ In seinen Augen spiegelt sich die Traurigkeit eines Mannes, der sich immer durchschlagen musste. Sein Deutsch ist verständlich, aber gebrochen.

„Ich habe mal hier, mal dort gearbeitet“, sagt er. Die fehlenden Sprachkenntnisse waren sein Manko, er musste sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagen. So bleibt im Alter nur die Grundsicherung. „Das ist in Ordnung, ich beschwere mich nicht“, sagt er. Aber große Sprünge kann er damit nicht machen. Deswegen ist Iwanow dankbar, dass es bei der Kleiderauswahl ein hochwertiges Angebot gibt: „Eine Lederjacke könnte ich mir sonst nicht leisten.“

Immer mehr Obdachlose im Kreis Ludwigsburg

Entstanden ist das Winteressen im Jahr 1994, als die Sekretärinnen des katholischen Dekanats die Idee dazu hatten. Nun ist die Aktion etabliert – und wird im ganzen Winter auch in anderen Kirchengemeinden im Landkreis an jeweils einem Tag angeboten. Nach Ditzingen gibt es sogar einen Bustransport – finanziert wird dies über die permanent eingerichtete Kleiderkammer, die Kleidung, die sie übrig hat, verkaufen darf.

„Man bekommt viel zurück“, sagt Michael Leihbacher vom Festausschuss der Gemeinde. Ein herzliches Danke, ein freundlicher Blick, das ist für ihn Lohn genug. Über die Jahre kommen immer mehr Gäste. Die Statistik zeigt, dass es im Landkreis entsprechend mehr Obdachlose gibt: Die Fachstelle Wohnungssicherung hat 2016 noch 111 Fälle gemeldet, 2017 schon doppelt so viele. Zwar wohnen Menschen nur wenige wirklich auf der Straße, doch trotz Daueraufschwungs gibt es viel Armut. „Mich erschreckt, dass viele Besucher seit Jahren kommen, ohne echte Perspektive“, sagt Michael Leihbacher.

Kreisweite Hilfe durch ein soziales Unternehmen

Immerhin gibt es inzwischen ein ganzes Netz an Angeboten – neben den Winteraktionen wie der Vesperkirche Ludwigsburg, die am 10. Februar beginnt, kümmert sich die 1983 gegründete Wohnungslosenhilfe im ganzen Landkreis um arme Menschen. Träger sind die Kirchen, die Caritas und die Karlshöhe. So organisiert man einen Mittagstisch, Beschäftigungsangebote oder bietet auch Einzelfallhilfen an, Sitz ist die Friedrichstraße in Ludwigsburg.

Alles Angebote, die auch Iwanow gerne nutzt. „Sport und Kultur, das ist mir wichtig“, sagt er, während er nach Gabel und Messer greift, „und gutes Essen. Das ist gut für die Gesundheit.“ Dann freut er sich über das lecker zubereitete Fleisch, das in einer Bäckerei aufgewärmt wird. „Ich kann nicht so gut kochen“, sagt Iwanow. Der Sitznachbar nickt. So findet er auch das, was er dringend braucht: Verständnis.