In der osttürkischen Stadt Dersim hat sich eine Gruppe von Frauen dazu entschlossen, ihre Situation gemeinsam zu verbessern. Mit Unterstützung des Vereins Freunde helfen Freunden aus Waiblingen wollen sie eine Bäckerei gründen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Seit Jahren ist Aygül Aras in der Unterstützung von Menschen in ihrer kurdischen Heimat engagiert. Mehrmals ist die Waiblingerin schon in den Osten der Türkei gereist, um Hilfslieferungen des Vereins Freunde helfen Freunden an die Bedürftigen zu bringen. Nun geht der Verein einen Schritt weiter. „Wir wollen eine Bäckerei in Dersim gründen, in der bedürftige Frauen faire Arbeitsbedingungen finden und so wieder eine Perspektive für ihr Leben haben“, sagt Aygül Aras, die den Sommer über wieder in die Stadt reisen wird, um dort den Aufbau der Bäckerei in Angriff zu nehmen.

 

Ohne die „große Schwester“ geht nichts

„Die Frauen haben gesagt, große Schwester, ohne dich werden wir nicht anfangen“, erzählt Aygül Aras. Im vergangenen Jahr war sie wieder für Monate in Dersim, einer Stadt mit rund 35 000 Einwohnern. Dort hat sie das Elend erlebt, das durch den Bürgerkrieg über die Bevölkerung hereingebrochen ist. „Ständig sind Hubschrauber oder Drohnen über einem“, sagt sie. Es werde nach wie vor geschossen, die Gefängnisse seien überfüllt. „Viele Frauen sind allein, weil ihre Männer getötet wurden oder eingesperrt sind. Viele überlegen deshalb zu fliehen. Doch das ist noch gefährlicher“, sagt Aygül Aras. „Es ist wie ein offenes Gefängnis“, beschreibt sie die Situation in der Gegend.

Mit Spenden könne nur kurzfristig geholfen werden. Doch die alleinstehenden Mütter brauchten eine langfristige Perspektive. „Das traditionelle Fladenbrot Yufka kann bei uns jede backen. Doch sind die Arbeitsbedingungen sehr schlecht.“ Für Arbeit von zwei Uhr nachts bis nachmittags werden Löhne von umgerechnet sieben Euro bezahlt. Da zu diesen Bedingungen niemand arbeiten will, ist Yufka gefragt. Eine Gruppe von rund 30 Frauen hat sich deshalb überlegt, selbst eine Bäckerei zu gründen. „Mit Schichtbetrieb und vor allem mit versicherten Mitarbeiterinnen“, betont Aygül Aras. Auf diese Weise finden die alleinstehenden Mütter die Zeit, um Familie und Arbeit zu verbinden.

Der Verein Freunde helfen Freunden ist nun dabei, das Startkapital zu sammeln. „Rund 15 000 Euro haben wir bereits“, sagt Dieter Böttcher, der sich in dem Verein engagiert. Für die Ausstattung der Bäckerei werden rund 37 500 Euro benötigt. „Die Räume haben die Frauen schon gefunden. Jetzt muss das Mobiliar und die notwendigen Geräte angeschafft werden. Und ein Auto, um einen Teil des Brots ausliefern zu können“, sagt Aygül Aras. Und natürlich die Zutaten Mehl, Öl und Salz, aus denen die leckeren Brotfladen gebacken werden.

Am Anfang stand Hilfe für Erdbebenopfer

Kunden sollen auch direkt in der Bäckerei Yufka kaufen können. „Mit der Zeit soll auch Tee und Kaffee angeboten werden, wie in deutschen Bäckereien. Und Yufka mit Belag, wie belegte Brötchen hier.“

Der Verein Freunde helfen Freunden wurde im Jahr 2011 gegründet, um nach dem verheerenden Erdbeben in Van in der Osttürkei betroffenen Menschen in der Gebirgsregion zu helfen. Im Winter drohte den in Zelten lebenden Erdbebenopfern der Tod durch Erfrieren. Von 2014 an engagierte sich der Verein in Flüchtlingslagern an der türkisch-syrischen Grenze und seit 2016 um Kinder in kurdischen Gebieten.