Die Klasse 7 b von Darstellerin Sara Lindenmann erlebt einen spannenden Nachmittag hinter den Kulissen des Sutttgarter Musical „Mary Poppins“ im Apollo-Theater.

Stuttgart - Die Spiegelwand verzeiht keinen Fehler, ist aber gleichzeitig eine große Hilfe, wenn man die Schritte für einen Tanz einübt. Und so sind die Blicke der 28 Schülerinnen und Schüler der 7 b des Paracelsus- Gymnasiums Plieningen im Proberaum des Apollo-Theaters abwechselnd auf die Spiegel und auf Heather Carino gerichtet. Die junge Frau mit dem schwarzen Pferdeschwanz ist die Hüterin über die Schritte bei „Mary Poppins“. Auf mehr als 200 Seiten sind die Choreografien des Musicals auf ihrem iPad gespeichert. Viele hat sie auch im Kopf. Vor allem die vom bekanntesten Lied „Supercalifragilisticexpialigetisch“.

 

Die Gruppe studiert eine kleine Sequenz daraus ein – sie haben nur 15 Minuten Zeit, um mit Armen und Beinen vier Buchstaben auszudrücken. Nur für eine ist das ein Kinderspiel – Sara Lindenmann spielt bei „Mary Poppins“ die Rolle der Jane Banks und beherrscht die Choreografie im Schlaf.

Unter 200 Bewerberinnen wurde die 13-Jährige für die Rolle ausgewählt wie sieben weitere Mädchen, die sich bei den Auftritten abwechseln. Dafür hat sie hart trainiert und sich einen Pony schneiden lassen. „Hier wärme ich mich 90 Minuten vor dem Auftritt mit den anderen Darstellern immer auf“, erzählt Sara den Mitschülern. Darunter ist Emily Pidduck, die es beim Casting bis ins Finale geschafft hat. „Toll, dass wir jetzt heute den Tanzworkshop machen“, sagt Emily.

Mittendrein statt nur dabei

Die ganze Klasse ist mittlerweile zu Mary-Poppins-Experten geworden. Sie haben das Musical mit ihrer Lehrerin Judith Ellinger im Musikunterricht behandelt, sogar eine Klausur haben sie über das wohl berühmteste Kindermädchen der Welt geschrieben und Sara natürlich auch live auf der Bühne erlebt. Und jetzt ist das Ganze keine graue Theorie mehr. Sie sind mittendrin statt nur dabei und wissen nicht, dass sie bei ihrem kurzen Auftritt zwei prominente Beobachter haben. In der Ecke verfolgen nämlich mit Elisabeth Hübert und Christopher Bolam zwei Hauptdarsteller die Tanzdarbietung.

Die 29-jährige Hübert spielt das Kindermädchen, ihr drei Jahre älterer Kollege den Schornsteinfeger Bert. Der steht auf der Bühne manchmal auf dem Kopf und singt und steppt auch noch dabei. Und genau diese Frage treibt Philipp Enderle um. „Ist das nicht anstrengend, wenn alles kopfsteht?“ Bolam muss nicht lange überlegen. „Am Anfang schon. Es ist komisch, wenn das Blut in den Kopf fließt, aber inzwischen macht es einfach Spaß“, erzählt der Engländer, der in Chester seine Musicalausbildung gemacht hat. Man spürt, dass die Gymnasiasten mit dem Thema Theater vertraut sind, die Fragen sprudeln nur so aus ihnen heraus.

Sie wollen natürlich wissen, ob das Duo auch privat miteinander verbandelt ist, was die beiden lachend verneinen, oder ob Elisabeth Hübert denn keine Angst vorm Fliegen hat. „Nein, weil ich das von meiner Rolle als Jane in ,Tarzan‘ schon gewohnt war“, erzählt die Hamburgerin, die alle motiviert, weiter mit Spaß bei der Sache zu bleiben. Sie wollte nie was anderes machen, habe einfach immer nur singen wollen.

Schlanke Schauspieler tragen Fett-Suits

Der Workshop und die Fragerunde standen am Ende eines zweistündigen Rundgangs hinter den Kulissen von „Mary Poppins“. In der Abendmaske haben sie gesehen, mit welcher Echthaarperücke aus Elisabeth Hübert das Kindermädchen wird, wo im Backstage-Bereich während der Vorstellung die sogenannten Dresser den Akteuren beim Umziehen helfen und sich schlanke Schauspieler mittels eines Fett-Suits in pummelige Gestalten verwandeln. Sie erfuhren aber auch spannende Details, etwa wie 6000 Swarovski-Sterne an den Kostümen der Laternenanzünder verarbeitet wurden, dass das Wort Supercalifragilisticexpialigetisch 34 Buchstaben hat und 48 Maschinen während der Vorstellung die Bühnenkulissen zu 52 Bildern zusammenfügen und dabei 355 Bewegungen machen. Nur ein Geheimnis wurde nicht verraten, nämlich wie Mary Poppins aus ihrer kleinen Tasche so große Gegenstände zaubert, die selbst Hermine Granger vor Neid erblassen lassen.