Stefan Lang ist Kreisarchivar in Göppingen. Er ist Herr über zwei Kilometer alte Akten, die Kreisarchäologie und 30 000 Bücher. Angefangen hat er als Praktikant.

Region: Corinna Meinke (com)

Kreis Göppingen – Blutjung ist die Einrichtung des Postens des Kreisarchivars, will man sie am Alter der überlieferten Geschichte im Kreis Göppingen messen. Kürzlich wurde das 1150-Jahr-Jubiläum der Erwähnung der Fils gefeiert, aber einen hauptamtlichen Betreuer für seine Archivalien hat der Kreis Göppingen erst im Jahr 1970 angestellt. Zum ersten Kreisarchivar wurde damals Walter Ziegler bestellt. 42 Jahre lang hat sich Ziegler um die Geschichte im Stauferkreis verdient gemacht, bevor er sich im vergangenen März in den Ruhestand verabschiedete. Für ihn ist Stefan Lang nachgerückt.

 

Die lange Amtszeit des Vorgängers kann er nicht erreichen

Lang ist zwar erst 34 Jahre jung, doch eine ähnlich lange Amtszeit wie sein Vorgänger kann er kaum schaffen, sagt er mit einem entschuldigenden Lächeln. Aufgewachsen im Göppinger Stadtteil Reusch, erinnert sich der promovierte Historiker gut an viele Familiengeschichten, an Berichte, wie das Haus der Großeltern in der Oberstadt beim Luftangriff im März 1945 von Bomben beschädigt und Nachbarhäuser dem Boden gleichgemacht wurden. Das habe ihm ebenso früh einen Bezug zur Vergangenheit seiner Heimat vermittelt wie zahlreiche Besuche im Stadtmuseum Storchen.

Wohl und Wehe der jüdischen Mitbürger interessieren ihn

Als dort die Ausstellung „Göppingen unterm Hakenkreuz“ gezeigt wurde, besuchte Lang noch das Göppinger Freihofgymnasium, und Geschichte war schon seit einigen Jahren sein Lieblingsthema. Er machte das Fach zum Leistungskurs und später neben Kunstgeschichte und Archäologie zu seinem Studienfach an der Universität Tübingen. Das Interesse am Wohl und Wehe der jüdischen deutschen Bevölkerung hat Lang nicht mehr losgelassen. Bei Recherchen im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv stieß er im Jahr 2001 auf bisher unbekannte Akten zur jüdischen Gemeinde in Großeislingen in den Jahren 1520 bis 1554, worüber er seine Magisterarbeit verfasste. Es fasziniert Lang, wie sich diese Jahrtausende alte Kultur als Minderheit behauptete, und so ist das Schwäbische Judentum einer seiner Forschungsschwerpunkte geblieben. Auch seine von Professor Sönke Lorenz betreute und mit zwei Preisen ausgezeichnete Dissertation befasste sich damit.

Vom Praktikant zum Chef

Das Kreisarchiv hat Lang schon in seinen Studentenjahren als Praktikant schätzen gelernt. Auch den Vorgänger Walter Ziegler, seine heutigen Archivmitarbeiter Rolf Jente und Ursula Kirchner sowie die Kollegen aus der Kreisarchäologie kennt Lang aus diesen Tagen. Damals hätte er sich noch nicht träumen lassen, einmal selbst Herr über den rund zwei Kilometer langen Aktenbestand zu werden.

Buch über die Ulmer Patrizier geschrieben

Nach der Promotion in Tübingen setzte Lang noch eine Ausbildung für den höheren Archivdienst in Stuttgart und an der Hochschule für Archivwissenschaft in Marburg drauf. Seine erste Stelle bekam er am Stadtarchiv Ulm. Dort erschloss er in einem Projekt mehrere Privatarchive von Patrizierfamilien. Auch mit der Selbstständigkeit hat der Vater zweier kleiner Söhne bereits Erfahrungen gesammelt. Rund eine Jahr bestimmte er neben der Kinderbetreuung seine Projekte selbst, schrieb ein Buch über die Ulmer Patrizier, hielt Vorträge oder arbeitete an einem Onlineprojekt zur Geschichte der Juden in Göppingen und Jebenhausen.

2013 feiert der Kreis sein 75-jähriges Bestehen

Für die Aufgabe im Kreisarchiv Göppingen hat sich Lang schließlich entschieden, weil er sich hier auch historisch zu Hause fühlt. Schon seit Jahren arbeitet er regelmäßig als Autor am Historischen Jahrbuch des Landkreises mit, hat zu vielen Themen der Kreisgeschichte publiziert, war früh Mitglied des Geschichts- und Altertumsvereins Göppingen und ist seit kurzem dessen Vorsitzender. Zu seinen Pflichten gehört auch die Geschäftsführung der Stauferstiftung Göppingen, die er Kraft Amtes inne hat und deren Geschäftsstelle sich im Kreisarchiv befindet. Die Stiftung, die von der Kreissparkasse Göppingen getragen wird, arbeitet eng mit der Gesellschaft für Staufische Geschichte Göppingen zusammen und vergibt im zweijährigen Turnus den wissenschaftlichen Stauferpreis sowie den Staufer-Schülerpreis. „In den Archiven schlummern noch viele Schätze aus dem Kreis mit Potenzial“, behauptet Lang. Es reizt ihn, die ganze Bandbreite der historischen Landschaft im Kreis auszubreiten. Erste Gelegenheit wird der Historiker schon im nächsten Jahr bekommen, wenn das 75-jährige Kreisjubiläum ansteht.

Burgen-Symposium im März auf Schloss Filseck

Spannendes verspricht Stefan Lang auch zum Thema Burgen. Neben dem Stammsitz der Staufer auf dem Hohenstaufen gibt es noch rund 60 weitere Burgen und Burgstellen, die es zu erforschen lohne. Lang möchte schon bald in der Nähe des Wäscherschlosses, am so genannten Burren graben lassen. Er erhofft sich davon den Beweis, dass hier die Vorgängerburg des Hohenstaufens gestanden hat. Zum Thema Burgen wird im März auf Schloss Filseck ein Symposium stattfinden.

Der Burgenweg durch den Kreis soll Touristen locken

Auch für den Tourismus, mit dem der Kreis Göppingen in Zukunft überregional mehr punkten will, sind die Burgen ein lohnenswertes Thema. Lang beteiligt sich an der Konzeption eines Burgenwegs durch den Kreis, der vor allem Tagestouristen auf die Spuren der Staufer und anderer Adelsfamilien bringen soll. Unterstützung erhofft sich der Historiker auch von seiner alten Uni. Mit dem Institut für Geschichtliche Landeskunde in Tübingen steht Lang in enger Verbindung. Er führt Studenten bei Exkursionen durch den Kreis und möchte auch die eine oder andere kreisbezogene Forschungsarbeit anregen.