Lange bevor die jüdische Gemeinde in Ludwigsburg ein Gotteshaus errichtete, betete sie in einem Gebäude an der Mömpelgardstraße – in unserer Serie zu historischen Orten erzählen wir die Geschichte des Hauses, in dem einst Joseph Oppenheimer wohnte.

Ludwigsburg - Reiche Herzöge, fromme Juden, fleißige Geschäftsleute: Das Haus in der Mömpelgardstraße 18 in Ludwigsburg hat während seines knapp 300-jährigen Bestehens viele Bewohner kommen und gehen sehen. Sein vermutlich bekanntester Besitzer war der jüdische Geschäftsmann Joseph Süß Oppenheimer, einst der wichtigste Berater des württembergischen Herzogs Karl Alexander und später Opfer eines Justizmordes. Von 1734 bis zu seiner Festnahme im Jahr 1737 hat Oppenheimer in dem Haus direkt am Residenzschloss gewohnt. Ein weiteres Haus in der Eberhardstraße 28, Ecke Kaffeeberg 10, gehörte ebenfalls zu seinen Besitztümern. „Die Häuser sind Ausdruck seines wirtschaftlichen Erfolgs als Berater und Finanzier von Herzog Karl Alexander“, sagt Simon Karzel, der Leiter des Stadtarchivs Ludwigsburg.

 

Bevor Oppenheimer in den Dienst des Herzogs trat, war er bereits ein erfolgreicher Geschäftsmann, ein Geld- und Warenhändler, der viele Kontakte hatte und viel gereist ist, so Karzel. 1733 lernte Oppenheimer Karl Alexander kennen und begann dessen politische und finanzielle Angelegenheiten zu regeln. Er wurde sein geheimer Finanzrat und sein Hoffaktor, besorgte ihm als solcher Güter, die nicht so einfach zu besorgen waren. „Oppenheimer war geschickt und findig“, sagt Karzel. Er generierte in solch einem Ausmaß Geld für den Herzog, dass dieser finanziell unabhängig wurde. „Gleichzeitig bemühte sich Oppenheimer, die Wirtschaft in Ludwigsburg neu auszurichten“, sagt der Stadtarchivar.

Der Berater des Herzogs war sehr gläubig

Denn nach seinem Amtsantritt verlegte Karl Alexander den Regierungssitz zurück von Ludwigsburg nach Stuttgart, was für die neu gegründete Stadt einen großen Einschnitt bedeutete. So habe sich Oppenheimer etwa dafür eingesetzt, dass in Ludwigsburg eine Tabak- und eine Porzellanmanufaktur entstünden. Beides sollte in seinem Haus an der Mömpelgardstraße angesiedelt werden. Ob er damit erfolgreich war oder es lediglich bei der Absicht blieb, sei jedoch nicht belegt, so Karzel: „Wie vieles aus der Anfangszeit ist auch dies etwas nebulös.“

Aber nicht nur für wirtschaftliche und private Zwecke wurde das Haus in Schlossnähe genutzt. Bereits zu Oppenheimers Zeiten soll es der größer gewordenen jüdischen Gemeinde als Synagoge gedient haben. Dafür spricht auch, dass der Berater des Herzogs sehr gläubig gewesen sein soll. Selbst in der Gefangenschaft auf dem Hohenasperg weigerte er sich, zu konvertieren.

Auch das 1716 erbaute Haus in der Eberhardstraße könnte noch für andere Zwecke genutzt worden sein. „Als es Oppenheimer erwarb, hat er von Karl Alexander das Privileg erhalten, dort ein Kaffeehaus zu errichten“, sagt der Archivar. Ob er tatsächlich ein solches dort betrieb, sei unklar. Belegt sei jedoch, dass sich in nächster Nähe das erste, 1722 eröffnete Kaffeehaus Ludwigsburgs befand: „Die Ecke heißt heute ja auch Kaffeeberg.“

Leichnam wird in Stuttgart zur Schau gestellt

So erfolgreich Oppenheimer jedoch damit war, die Geldgeschäfte Karl Alexanders zu führen und seinen eigenen Wohlstand auszubauen, so wenig Glück hatte er nach dem Tod des Herzogs. Schon 1737, also vier Jahre nach seinem Amtsantritt, starb Karl Alexander. Und damit war dessen Berater ohne Schutzherr. Seine Gegner nutzten dies und klagten Oppenheimer in Stuttgart unter anderem wegen Verschwörung an. Der ehemalige Hoffaktor wurde zum Tode verurteilt und im Februar 1738 hingerichtet.

Zur Abschreckung wurde sein Leichnam sechs Jahre lang in einem eisernen Käfig auf dem Stuttgarter Galgenberg zur Schau gestellt. Erst als Karl Alexanders Sohn Carl Eugen die Regierung übernahm, ließ er den Leichnam abhängen. „Oppenheimer war ein mehrfaches Opfer“, sagt Karzel. „Sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod.“ Denn auch die Nationalsozialisten bedienten sich später der Geschichte des Juden, schrieben diese um und zeichneten in dem Propagandafilm „Jud Süß“ das Bild von einem geldgierigen, intriganten Mann.

An wen indes das Haus in der Mömpelgardstraße nach dem Tod Oppenheimers überging, ist nicht belegt. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts tauchte es wieder in den Aufzeichnungen auf: 1817 erwarb Wolf Jordan das Wohnhaus und richtete dort erneut einen Betsaal für die jüdische Gemeinde ein. Außerdem entstand auf dem Gelände eine Mikwe, ein rituelles jüdisches Bad. Erst mit dem Bau der Synagoge 1883 zog die jüdische Gemeinde von der Mömpelgardstraße an die Ecke Alleen- und Solitudestraße auf den heutigen Synagogenplatz. Bis zur Reichspogromnacht im November 1938 blieb dies der Versammlungsort der Ludwigsburger Juden. Das Haus in der Mömpelgardstraße steht heute unter Denkmalschutz und wird als Wohn- und Geschäftshaus genutzt.