In der Alten Schule in Filderstadt-Bonlanden waren einst nicht nur Schüler untergebracht. Im ehemaligen Klassenzimmer weilten während des Ersten Weltkriegs französische Kriegsgefangene. Und die stellten für die Filderbauern eine große Entlastung dar.

Bonlanden - Das schmucke Fachwerkhaus an der Oberdorfstraße 10 ist den Bonländern nicht fremd. Dort befindet sich im Erdgeschoss nämlich das örtliche Bürgeramt. In der zentralen Anlaufstelle des Stadtteils kümmern sich drei Mitarbeiter um eine Vielzahl von Dienstleistungen und Anträgen. In den Obergeschossen befinden sich städtische Mietwohnungen. Das Haus wurde 1987/88 grundlegend renoviert. Erbaut wurde das Fachwerkhaus, das auf einem Natursteinsockel ruht, in den Jahren 1770 bis 1773. Das Gebäude diente einst anderen Zwecken. Von 1773 bis 1950 war der freigelegte Fachwerkbau eine Schule.

 

Schulmeister war Matthäus Arnold II., der das Amt von seinem Vater übernommen hatte. Unterstützt wurde Arnold von seinem Sohn Johann Jakob, der als Provisor an der Schule tätig war. 1792 übernahm schließlich der Sohn das Amt des Schulmeisters, während der Vater Provisor wurde. Beide Lehrer unterrichteten knapp hundert Schüler unterschiedlichen Alters im selben Raum. Das Klassenzimmer befand sich im Obergeschoss, im Erdgeschoss wohnten die Lehrer. 1804 übernahm Johann Pfäfflin aus Wolfschlugen die Stelle des Schulmeisters an der Bonländer Schule, 1833 folgte Jakob Schittenhelm aus Thumlingen.

Sechs französische Kriegsgefangene lebten dort

Im Volksmund wird die alte Bonländer Schule auch Franzosenschule genannt. Diese Bezeichnung geht auf ein kurzes, eher unbekanntes Kapitel in der Geschichte des Hauses zurück. Während des Ersten Weltkrieges wurden im Klassenzimmer der Schule sechs französische Kriegsgefangene untergebracht, die der Gemeinde vom zentralen Kriegsgefangenenlager zugeteilt worden waren. Fünf der sechs Namen sind bekannt: Maurice Baur, Antoine Bernardy, Guillaume Bimes, Henri Joulian und Léon Marbehan mussten aufgrund des Arbeitskräftemangels Zwangsarbeit in der Landwirtschaft verrichten.

Das Kriegsamt in Berlin hatte hierfür am 1. Februar 1917 grünes Licht gegeben. Zwar wurden die meisten Filderbauern aufgrund ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung nicht zum Heer einberufen. Die Söhne der Landwirte, die für die Ernte unentbehrlich waren, wurden jedoch nicht verschont und mussten an die Front. „Für die Bauern waren die französischen Zwangsarbeiter eine große Entlastung“, berichtet Filderstadts Stadtarchivar Nikolaus Back. Tagsüber ackerten die Männer, unter ihnen auch drei Deutschrussen, die anderweitig untergebracht waren, auf den Feldern, abends wurden sie wieder zurück in die Schule gebracht und mussten auf Strohsäcken nächtigen. Der Schulunterricht wurde in dieser Zeit in die Zettlerschule und die Schillerschule verlegt. Laut Nikolaus Back erging es den Zwangsarbeitern in der Landwirtschaft besser als in der Kriegsgefangenschaft. „Die Bauern hatten schließlich ein eigenwirtschaftliches Interesse daran, dass es den Arbeitern gut geht, deshalb haben sie sie fair und gut behandelt.“ Besonders zufrieden seien die Bauern allerdings nicht gewesen.

Ein Jahr lang mussten die Männer auf den Feldern arbeiten

In der Filderstädter Schriftenreihe „Filderstadt im Ersten Weltkrieg“ wird hierzu der Bonländer Schultheiß Hörz zitiert: „Hierbei machen die Arbeitgeber die Erfahrung, daß die Franzosen falsche Leute sind, die zum größten Teil nicht gern arbeiten und gut leben wollen.“ Über die Deutschrussen seien hingegen keine Klagen bekannt. Insgesamt ein Jahr lang, von 1917 bis 1918, mussten die Männer auf den Feldern arbeiten.

Nach ihrer Freilassung verliert sich die Spur der Franzosen. Lediglich ein Kriegsgefangener aus dieser Zeit taucht in der Filderstädter Geschichte erneut auf: David Schmidt, ein deutschstämmiger, russischer Kriegsgefangener, der im Zweiten Weltkrieg aus seiner Heimat vertrieben wurde, zog 1945 mit der gesamten Familie nach Bonlanden. Nur fünf Jahre später wurde die Alte Schule in Bonlanden geschlossen. Nach der Erweiterung der Schillerschule hatte die Franzosenschule endgültig ausgedient.