Der deutsche Vorzeigeverein lässt international aufhorchen und zieht als erster Bundesligist in die Play-offs der Königsklasse Euroleague ein. Dort kommt es am Freitag zum Giganten-Duell beim FC Barcelona.

Sport: Joachim Klumpp (ump)

München/Barcelona - „History happens here“, stand mal auf einem überdimensionalen Werbeplakat auf dem Stadiongelände des FC Barcelona. Und tatsächlich wurde ja Geschichte geschrieben, zum Beispiel beim legendären 6:1 gegen Paris St-Germain in der Champions League. Doch spätestens seit dem 2:8-Debakel im letztjährigen Halbfinale sind die glorreichen Zeiten der Fußballer Vergangenheit, weshalb sich der stolze Verein auch gerne auf seine anderen Aushängeschilder besinnt, allen voran die Basketballer. An diesem Freitag kommt es nun in der europäischen Königsklasse Euroleague zu einem historischen Duell der beiden Renommierclubs Barça und Bayern.

 

Historisch deshalb, weil die Münchner es als erster deutscher Verein in 20 Jahren überhaupt geschafft haben, ins Viertelfinale einzuziehen. Vor einer Woche mit dem 71:70-Sieg gegen Zalgiris Kaunas 2,3 Sekunden vor Schluss, was schon viel über die Dramatik aussagt. Entsprechend emotional waren die Reaktionen: „Ich werde einen Pool voller Rotwein trinken“, sagte der italienische Coach Andrea Trinchieri, der für seine blumenreiche Sprache bekannt ist. Er meinte einen olympischen Pool – mit 2,5 Millionen Litern Inhalt. So ein Vergleich kann passieren im Überschwang der Gefühle. Schließlich machen die Verantwortlichen kein Hehl daraus, dass sie oben mitmischen wollen, getreu dem Bayern-Motto: Mia san mia. „Wir haben diesen Traum seit dem ersten Tag verfolgt“, sagte Trinchieri zu dem Mammutprogramm mit den 34 Pflichtspielen (parallel zur Bundesliga), was in Coronazeiten, selbst im Club-eigenen Charterflieger, besonderer Anstrengungen bedarf.

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Doch als Ehrenpräsident Uli Hoeneß einst seine Basketballbegeisterung in die Tat umsetzte, war klar, es soll stetig aufwärtsgehen. Schließlich nutzen auch berühmte Konkurrenten die Popularität der Korbjäger fürs eigene Image, allen voran Real Madrid, aber auch Panathinaikos Athen oder ZSKA Moskau. Und sie sind beim ebenso mächtigen wie umstrittenen Euroleague-Chef Jordi Bertomeu so beliebt, weil sie den Wettbewerb aufwerten, vor allem für Sponsoren. Die Bayern erhielten deshalb quasi einen Freifahrtschein per Wildcard – und erst vor Kurzem zudem die Offerte, Anteilseigener der Euroleague zu werden; ein Privileg, das bisher elf andere Clubs genießen. Die sind gesetzt, was die sportliche Qualifikation zwar fragwürdig erscheinen lässt, aber ganz nebenbei als Vorbild für die Befürworter einer Super League im Fußball dient.

Wobei die Basketball-Bundesliga für die Bayern zumindest in der Hauptrunde zunehmend in den Hintergrund trat, was schon zu einem halben Dutzend Niederlagen in der Saison führte, zuletzt sogar beim biederen Schlusslicht Gießen: Davon profitiert nebenbei auch der aktuelle Spitzenreiter MHP Riesen Ludwigsburg – ohne dessen starke Leistungen schmälern zu wollen.

Doch die Spitzenteams Bayern (und auch Alba Berlin) blicken auf Europa, weil die internationale Aufmerksamkeit hoch ist. Dafür sorgen schon die Katalanen aus Barcelona: Vor zwei Jahren haben sie den keineswegs abgehalfterten Nikola Mirotic aus der NBA verpflichtet, der neun Millionen Euro brutto im Jahr verdienen soll. Und zuletzt hat Barça auch noch die Legende Pau Gasol (40 Jahre, sechsmal NBA-All-Star) zu seinen Wurzeln gelockt, der aber noch an seinem Comeback arbeitet.

Fußballer finanzieren Basketball mit

Seit je wird die Sparte der Spanier von den Fußballern querfinanziert, so dass Etats von 40 Millionen Euro zustande kamen – und für den Gesamtclub ein Schuldenberg von mehr als einer Milliarde. Die Münchner ihrerseits zählten mit knapp 25 Millionen Euro in der Vorsaison auch nicht zu armen Kirchenmäusen. Nun muss man coronabedingt wohl 20 bis 30 Prozent abspecken, was dem Erfolg keinen Abbruch tat. Und den Ansprüchen auch nicht. Hoeneß-Nachfolger Herbert Hainer betont: „Wir haben den Anspruch, München zur europäischen Basketball-Hauptstadt machen.“ Und: „Jetzt ist alles möglich“, sagte Geschäftsführer Marko Pesic unmittelbar nach dem Play-off-Einzug.

Dessen legendärer Vater Svetislav Pesic hatte schon vor drei Jahren als Barça-Coach im Interview mit dieser Zeitung prophezeit: „Barcelona hat eine sehr große Tradition. Nicht nur im Fußball, auch im Basketball – aber die Zukunft gehört Bayern München. Dort sehe ich das meiste Potenzial in Europa.“ Er scheint recht zu behalten. Egal, wie das sportliche Duell am Freitag ausgehen wird, die Bayern haben in einem Punkt schon die Nase vorne. Mit dem SAP-Garden (und dann hoffentlich auch wieder Zuschauern) wartet ein Schmuckkästchen mit 11 500 Plätzen auf seine Eröffnung zur Saison 2022/23, während Barças Neubaupläne für Stadion und Halle auch Geschichte schreiben könnten – eine unendliche nämlich.