Sommer, Sonne, Eis und Schweiß: Am bisher heißesten Tag des Jahres steht die Hitze im Kessel. Doch kann das Hoch mit diesem Sommer versöhnen?

Stuttgart - Dass dieser Sommer noch nicht fertig hat, konnte jeder sehen, der in den vergangenen Tagen mit offenen Augen durch die Stadt ging. Zuerst gab es nur dezente Hinweise, die leicht fehlgedeutet werden konnten: Der Kollege aus dem Nachbarbüro trug nach langer Zeit wieder seine Trekkingsandalen, die er in diesem Jahr noch höchst selten gut sichtbar auf dem Konferenztisch platziert hatte.

 

Dann wurde es immer offensichtlicher: in der Eckkneipe im Westen hat ein weiblicher Gartenzwerg blank gezogen. Wenn es aber schon in Innenstadtlagen zu dieser extremen Form der Fleischbeschau kommt, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: der Sommer 2011 ist zurückgekommen, sein Image war unterirdisch. Er hat einiges aufzuholen - und wenn die Meteorologen recht haben sollten, erledigt er zumindest teilweise in dieser Woche seinen Job.

Bereits am Wochenende drückte das Hoch Morven klebrigheiße Luftmassen in den Stuttgarter Kessel hinab. Im Schlossgarten sitzen nun auf Picknickdecken Babys, die von ihren Eltern derart dick mit Sonnencreme eingeschmiert werden, dass sie kleinen weißen Buddhas nicht unähnlich sind. Nur ein paar Meter entfernt stehen die Tipis der Indianer vom Stamme der Parkschützer. Dank der unbarmherzigen Sonne halten derzeit mehr Rothäute hier ihren täglichen Kriegsrat als jemals zuvor in diesem Sommer des Missvergnügens.

 Es gab nur wenige Lichtblicke

Der war zuvor nur ein schlechter Witz gewesen, über den viele nicht mehr lachen konnten. Schon gar nicht der Bäderbetrieb der Stadt (siehe nebenstehender Text). Die Temperaturen luden mehr in die Sauna, als in das unbeheizte Außenbecken ein. Zwischen Sprungturm und Umkleidekabinen herrschte oft eine Stimmung wie beim letzten Akt einer griechischen Tragödie.

Dabei muss man noch nicht einmal an Staatsanleihen denken. Der Stuttgarter Alibisommer 2011 bot unter anderem Orpheus und Eurydike vor der Kulisse des Schlosses Solitude. Bei rekordverdächtigen 13 Grad saßen Teile des Opernpublikums in Decken eingehüllt.

Es gab nur wenige Lichtblicke - für zwei Tage bereitete Franz Beckenbauer persönlich dem Sauwetter ein Ende, als er auf dem Schlossplatz die Mercedes-Sternstunden eröffnete. Aber letztlich war es doch keine echte politische Option, in Württemberg nach 93 Jahren Pause die Monarchie wieder einzuführen.

Es stört jeder Quadratzentimeter Textil

Das mit dem Kaiserwetter hat dann auch so geklappt. Es ist heiß, dort wo die Herrschaft der Klimaanlagen endet. Und plötzlich schwirren all die Sommerwesen wieder herum, die man nur noch aus Erzählungen kannte: die gemeine Kuchenwespe, die Darfs-noch-was-für-euch-sein-Biergartenkellnerinnen und die strammen Bademeister.

Solange die Stadt glüht, stört jeder Quadratzentimeter Textil. Doch das wird sich bald ändern. Die Schaufensterpuppen jedenfalls tragen schon wieder Strickpullover und Pudelmützen. Wenn es gut läuft, bleibt vielleicht auch für die Gartenzwergfrau noch ein Oberteil übrig. Schaden würde es ganz bestimmt nicht.