Beim Totengedenken der Aids-Hilfe im Rahmen der Hocketse des Christopher-Street-Days sind die Aidsseelsorger der beiden Kirchen in diesem Jahr nicht eingebunden gewesen. Was steckt dahinter?

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Zunächst ist alles wie gewohnt gewesen: Um 17.55 Uhr wurde am Sonntag bei der CSD-Hocketse die Musik auf Markt- und Schillerplatz leise gedreht. Um 18 Uhr läuteten die Glocken der Stiftskirche – als Startpunkt der Gedenkveranstaltung der Aids-Hilfe Stuttgart für verstorbene HIV-Infizierte und Aidskranke, Hinterbliebene und alle von HIV Betroffenen. Anders als üblich fehlte aber ein Aids-Seelsorger auf der Bühne.

 

Mindestens seit 20 Jahren soll es Tradition gewesen sein, dass einer der Aids-Seelsorger der beiden Kirchen im Wechsel beim Totengedenken spricht, diesmal wäre die katholische Seite dran gewesen. „Das gibt dem Gedenken etwas Würdevolles“, so ein Vertreter der Szene, der anonym bleiben will. Er kann nicht verstehen, warum man die Aids-Seelsorger „vor den Kopf“ gestoßen habe.

Aidsseelsorger äußern sich nicht öffentlich

Die beiden Geistlichen verfolgten die Veranstaltung als Zuschauer, dabei wären sie dem Vernehmen nach gerne weiter Teil gewesen. Doch das Verhältnis zwischen Aids-Hilfe und Aids-Seelsorge gilt seit einiger Zeit als belastet. Der evangelische Vertreter ist vor einigen Monaten sogar aus dem Verein ausgetreten, wie die Aids-Hilfe bestätigt. Über die Umstände und die aktuellen Entwicklungen sprechen will allerdings keiner der Aids-Seelsorger. „Wir lehnen jede öffentliche Stellungnahme in Zusammenhang mit der Aids-Hilfe Stuttgart oder der CSD-Hocketse ab“, so Eckhard Ulrich, der evangelische Aids-Seelsorger; ähnlich äußert sich Uwe Volkert, der katholische Vertreter.

Doch mehrere Quellen berichten von einem Konflikt rund um den Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag 2018. Im Rahmen dessen hatten die Seelsorger einen langjährigen HIV-Schwerpunktmediziner nach vorne gebeten und ihm anlässlich des bevorstehenden Ruhestands für seine Verdienste gedankt. Die Ehrung, die eine Teilnehmerin als „unspektakulär“ beschreibt, war im Vorfeld nicht mit der Aids-Hilfe abgestimmt. Der Aids-Hilfe-Geschäftsführer Franz Kibler soll im Anschluss ausfällig geworden sein. „Er konnte das nicht aushalten“, so empfand es die Teilnehmerin, die ebenfalls anonym bleiben will.

Man wolle sich säkularer aufstellen, so die Aids-Hilfe

Franz Kibler bestätigt, dass es rund um den Gottesdienst eine Auseinandersetzung gegeben hat. Er führt aber etwas anderes an, was ihn gestört habe: die Ausrichtung aufs Jenseits, dass zu wenig Hoffnung verbreitet worden sei. Da gebe es ein großes Beharren. „Man wusste, was auf Gefallen und was auf Missfallen stoßen würde“, sagt der Geschäftsführer.

Bei der eigenen Gedenkveranstaltung wolle man ein zeitgemäßes Gedenken. Das Sterben bleibe im Kopf, aber „wir sind nicht nur da, um zu trauern“, sagt er, „es geht darum, die Stigmatisierung, die immer noch mit HIV einhergeht, aus der Welt zu schaffen“. Deshalb waren am Sonntag viele junge Leute auf der Bühne. Viele Aktivisten stünden den Kirchen zudem kritisch gegenüber. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung halte man es für angebracht, säkularer aufzutreten. Einen Konflikt zwischen Aids-Hilfe und Kirchen gebe es aber nicht, betont Kibler. Man verändere immer wieder etwas. So werde überlegt, 2020 aus Umweltgründen auf Luftballons zu verzichten. Die Enttäuschung der Seelsorger könne er verstehen. Sonst sei bei ihm aber keine Kritik an der Veranstaltung angekommen.

Der Geschäftsführer der IG CSD, Christoph Michl, sagt, das von der Aids-Hilfe veranstaltete Gedenken sei „wie immer sehr beeindruckend“ gewesen. Er findet es „legitim“, die Veranstaltung auf andere Beine zu stellen. „Schön wäre es, wenn man das im Dialog klären könnte und nicht im Streit“, so Michl.