Im Zuge des dritten Accessibility-Day an der Hochschule für Medien gewährte Michael Steinmetz Einblicke in sein Leben mit Querschnittslähmung und Exoskelett.

Vaihingen -

 

Michael Steinmetz ist querschnittsgelähmt. Zum Einkaufen geht der Mittfünfziger inzwischen dennoch zu Fuß. Ein Exoskelett der israelischen Firma ReWalk Robotics hat ihm ein wichtiges Stück Mobilität zurückgegeben. Davon konnten sich Studierende und andere Interessierte am Freitagmittag im Rahmen des dritten Acessibility Day im Audimax der Hochschule für Medien selbst überzeugen. „Es geht nicht nur darum, dass ich mich in der Wohnung freier bewegen kann und beim Kochen an alles rankomme“ betont Steinmetz. „Die positive Veränderung fängt schon damit an, dass ich den Leuten ins Gesicht schauen kann, statt nur ihren Hintern zu sehen.“ Überhaupt werde man als Rollstuhlfahrer oft herablassend behandelt. „Ich habe das bei Verhandlungen immer wieder feststellen müssen“, erinnert sich der Kölner. Jetzt kann er für verdutzte Gesichter sorgen, wenn er sich plötzlich erhebt. Ein Knopfdruck und die Mechanik um seine Beine sorgt dafür, dass der Körper trotz Lähmung aus der Hüfte kommt. Der ReWalk verfügt über verschiedene Funktionen, je nachdem ob der Nutzer sitzt, stehen oder gehen will. Auch Treppensteigen ist möglich. Vorausgesetzt, dass das Gerät die richtige Stufenhöhe abgespeichert hat. Ohne Training geht allerdings gar nichts. „Ich bin mit 54 eingestiegen“, so Steinmetz. „Bei jüngeren Menschen mag es etwas schneller gehen, ich selbst habe etwa 80 Trainingsstunden gebraucht, ehe ich mich selbstständig bewegen konnte.“ Bis zu vier Stunden hält das externe Skelett durch, ehe die Akkus aufgeladen werden müssen. Das entspricht einer Wegstrecke von 10,5 Kilometern.

Bewegung vertreibt den Schmerz

Der frühere Bundespolizist und Bahnpostfahrer, der heute Existenzgründer berät, sitzt seit 2007 im Rollstuhl. Es waren wohl unerwünschte Nebenwirkungen einer Vorsorge-Impfung, die die Lähmung der Beine nach sich zogen. „Leider heißt das nicht, dass ich keine Schmerzen in den Gliedern habe“, berichtet Steinmetz. „Vor allem morgens, wenn ich mich lange nicht bewegt habe, setzt ein beinahe unerträgliches Nervenbrennen in den Beinen ein.“ Auch hier hilft das 27 Kilogramm schwere Außenskelett. Die Bewegung vertreibt den Schmerz so wirkungsvoll, dass Steinmetz die früher notwendigen Morphium-Präparate absetzen konnte.

„Meine Krankenkasse spart eine Menge Geld, seit ich den ReWalk habe“, stellt er fest. Die Kosten von rund 100 000 Euro inklusive Training rechnen sich seiner Meinung nach. „Allein wenn daran denke, dass ich als reiner Rollstuhlfahrer bis zu 15 Mal im Jahr wegen Blasenentzündung in Behandlung war, weil ich ständig Katheter wechseln musste – das war kein Zustand“, blickt er zurück. Mittels Gehhilfe ließ sich auch dieses Problem lösen.

Die Tochter zum Altar geführt

Michael Steinmetz fühlt sich ein Stück weit neugeboren. Es sei erstaunlich, wie sehr sich die Mobilität auch psychisch bemerkbar mache, sagt er. „Vor zwei Jahren wäre ich noch nicht mit meinem behindertengerecht umgerüsteten Auto nach Stuttgart gefahren. Jetzt habe ich das nötige Selbstvertrauen.“ Das hat mit dem Exoskelett zu tun, das er liebevoll „Gustav Gans“ getauft hat – nach dem Glückspilz aus der Feder von Donald-Duck-Erfinder Carl Barks. „Ich konnte sogar meine Tochter bei ihrer Hochzeit zum Altar führen, wie jeder andere Vater. Das war ergreifend“, stellt Steinmetz fest. Dass er manchmal von Passanten angeschaut wird, als käme er von einem anderen Stern, stört ihn nicht. „In Deutschland gibt es vielleicht zwanzig Leute, die mit dem ReWalk laufen oder trainieren“, sagt er. „Das ist einfach ein ungewohnter Anblick. Ich habe mir angewöhnt, auf die Menschen zuzugehen. Wenn ich mich erkundige, ob sie eine Frage hätten, sind sie meist dankbar und man kommt ins Gespräch.“