Das Pilotprojekt nimmt Abschied vom Ansatz, sich gegen Hochwasser zu schützen, indem man versucht, es mit Fluttoren und Deichen aus der Stadt heraus zu halten. Stattdessen wird eine Zone geschaffen, in der Überschwemmung einkalkuliert ist.

New York - Die Flutwellen, die der Hurrikan Sandy im Oktober 2012   an die Küste des amerikanischen Nordostens spülte, trafen die Stadt New York praktisch unvorbereitet. In den Straßen des südlichen Manhattans stand innerhalb von Minuten meterhoch das Wasser. Die U-Bahn-Schächte wurden geflutet, Kraftwerke am East River explodierten. In Brooklyn rollte eine Wand aus Wasser durch das Stadtviertel Red Hook und ließ den Anwohnern keine Chance, sich in Sicherheit zu bringen.   Die Katastrophe, die am Ende den Steuerzahler mehr als 65 Milliarden Dollar kostete, brachte ans Tageslicht, was Kritiker schon jahrelang bemängelt hatten. Die Stadt New York und mit ihr die gesamte Region hatten vor den Risiken steigender Wasserpegel einfach die Augen verschlossen. Flutschutz in New York gab es praktisch nicht, Bürgermeister Michael Bloomberg hatte darauf spekuliert, dass die Reparatur billiger ist als Vorbeugung.  

 

Das Projekt wird das Gesicht Manhattans verändern

Sandy änderte diese Gleichung und machte außerdem Bundesmittel verfügbar, um die Möglichkeiten für nachhaltigen Flutschutz auszuloten. Nun, zu Beginn der Hurrikan-Saison, hat New York seinen Plan zum Schutz vor Hochwasserkatastrophen in einer Stadt vorgestellt, die beinahe 900 Kilometer Küste hat.   Der Plan des Design-Teams namens BIG ist kühn, er wird das Gesicht von Manhattan verändern. BIG will um die besonders gefährdete südliche Hälfte von Manhattan einen 16 Kilometer langen Ring aus Anlagen legen, welche die Infrastruktur der Stadt und die Bewohner bei zu erwarteten Flutwellen von bis zu acht Metern schützt.  

Das Projekt ist für Nordamerika einzigartig. Es nimmt Abschied vom Ansatz, sich gegen Hochwasser zu schützen, indem man versucht, es mit teuren Bewehrungsanlagen wie Fluttoren oder Deichen aus der Stadt heraus zu halten. Stattdessen wird im unteren Manhattan eine Zone geschaffen, in der ein Wassereinbruch einkalkuliert wird. Es werden Parks entstehen, die als Flutzonen fungieren. Unter der Stadtautobahn entlang des East River werden Flutklappen installiert, die von Künstlern aus der Nachbarschaft gestaltet werden. Es entstehen Fahrradwege auf Stelzen und Pavillons, die geflutet werden können, in normalen Zeiten jedoch als „urbanes Wohnzimmer“ für die Bürger fungieren.  

Die Obama-Regierung suchte neue, kreative Lösungen

Diese Art des intelligenten Katastrophenschutzes ist revolutionär für die USA. Barack Obamas Bundesminister für Wohnen und Stadtentwicklung Shaun Donovan wurde nach Sandy ausdrücklich damit beauftragt, nach neuen kreativen Lösungen zu suchen. Die New Yorker Lösung ist bei diesem Unternehmen ein Pilotprojekt, das später auf andere Städte und Küstenregionen übertragen werden soll.

  Um sich für diese Aufgabe inspirieren zu lassen, reiste Donovan schon sechs Wochen nach Sandy nach Holland und nahm mit Henk Ovink Kontakt auf, dem Leiter des dortigen Büros für Raumplanung und Wasser-Management. Ovink zeigte Donovan die vorbildlichen holländischen Anlagen, die beiden Männer verstanden sich und Ovink wurde auf der Stelle als Berater für die US-Regierung angeheuert.   Der Design-Wettbewerb um den New Yorker Flutschutz war eine der ersten Aufgaben für Ovink. Wenn sich in den kommenden Jahren die Manhattaner Flussufer verändern haben die New Yorker es dem Niederländer zu verdanken.

In New Jersey wittern Hausbesitzer sozialistische Tendenzen

Das Projekt dürfte allerdings eines der einfachsten für Ovink gewesen sein. New Yorker sind im allgemeinen gegenüber neuen Ideen aufgeschlossen.   In anderen Gegenden ist das anders. Bei Vorschlägen für regionale Flut-Planung in New Jersey musste sich Ovink schon mit europhoben Angriffen und Vorwürfen des „Sozialismus“ auseinander setzen. Die Region zu schützen, anstatt nur das eigene Haus, war kaum vermittelbar.   Doch Minister Donovan bleibt optimistisch. „Die Leute werden schon verstehen, dass sie langfristig keine andere Wahl haben.“ Ein gelungenes Projekt in Manhattan könnte bei dieser Überzeugungsarbeit überaus hilfreich sein.