Nach dem Unfalltod des jungen Gänsebauers Rolf Wais war der Hof an der Epplestraße in Stuttgart-Degerloch zwei Jahre lang verwaist. Nun haben ihn zwei Brüder übernommen. Und künftig sollen dort sogar besondere Rinder weiden.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Degerloch - Noch sind die gelben Babygänse im Stall. In wenigen Tagen aber, sobald die Jungtiere genügend Gefieder haben, dürfen sie die Wiese an der Epplestraße erobern. Seit Kurzem leben am Rande des Gewerbegebiets Tränke nämlich wieder Gänse. Mehr als 500 sind es. Die Degerlocher Brüder Friedrich und Patrick Haag haben den Hof von dem verstorbenen Gänsebauern Rolf Wais übernommen. Er war im März 2017 mit gerade einmal 33 Jahren bei einem Verkehrsunfall in Rumänien tödlich verunglückt.

 

„Wir sind mit Rolf Wais aufgewachsen und haben oft auf dem Hof mitgeholfen“, sagt Friedrich Haag (30). „Deshalb war für uns nach seinem Tod klar, dass wir den Hof weiterführen wollen. Außerdem gab es eine sehr hohe Nachfrage nach den Gänsen.“ Die beiden Brüder haben jedoch lediglich zwei Hektar von den 80 Hektar übernommen: die Hofstelle sowie die direkt angrenzenden Wiesen als Auslauf für die Tiere. Die übrigen Ackerflächen haben die umliegenden Landwirte unter sich aufgeteilt, erläutert Friedrich Haag.

Es gab diverse Gerüchte

Die meisten dürften mit dieser Lösung zufrieden sein. In den vergangenen Monaten gab es nämlich diverse Gerüchte, was mit dem verwaisten Hof passieren soll. Im Gespräch war unter anderem, dass ein Transport- und Containerdienst das Gelände kaufen wollte. Den Landwirten war am wichtigsten, dass kein auswärtiger Bauer den Zuschlag bekommt, da die hiesigen um jedes Fleckchen Land kämpfen. Und viele Bewohner der Filderebene hatten sich gewünscht, dass auf dem Hof wieder Gänse gehalten werden. Die Tiere waren beliebt; einerseits weil die Schar an der Epplestraße ein nettes Bild abgab, andererseits weil sich viele in der Zeit zwischen Martini und Weihnachten gerne einmal eine regionale Gans gönnen.

Und genau dies wird von November an auch wieder möglich sein. Bereits jetzt dürfe man Bestellungen aufgeben, damit man zu den Festtagen auf jeden Fall eine Gans bekomme, versichert Haag. Ein Kilo Gans kostet bei den Brüdern 15,90 Euro, das Gewicht der Tiere variiert leicht. Die Gänse kommen vom gleichen Anbieter in Norddeutschland, auf den auch Rolf Wais stets gesetzt hatte. Im Alter von drei Wochen kamen sie nach Degerloch.

Die Haags schlachten selbst

Das Futter stammt von Bauern aus der Region, selbst anbauen schaffen die zwei Brüder nicht, da sie hauptberuflich nicht in der Landwirtschaft tätig sind: Friedrich Haag leitet zwei Tankstellen in Stuttgart, Patrick Haag (25) arbeitet im Einkauf bei Daimler. Die Gänse sind ihr Nebenjob: „Weil wir lange bei Familie Wais mitgearbeitet haben, wissen wir, wie viel Arbeit auf uns zukommt“, sagt Friedrich Haag.

Die beiden Brüder legen Wert darauf, dass die Gänse so viel Getreide und Gras essen dürfen, wie sie wollen, und nicht zwangsernährt werden, wie dies zum Beispiel bei polnischen Stopfgänsen der Fall ist. Außerdem dürfen die Tiere bei jedem Wetter auf die Wiese, nur nachts werden sie in den Stall getrieben, damit sie nicht vom Fuchs geholt werden. Das Schlachten der Tiere übernimmt Friedrich Haag selbst; er hat dies bei Rolf Wais sowie in mehreren Kursen gelernt. Auf dem Hof gibt es ein eigenes Schlachthaus.

Im Sommer kommen Black-Angus-Rinder dazu

Und während die beiden Degerlocher Brüder vieles ganz ähnlich machen, wie es auch Rolf Wais sowie zuvor dessen Eltern gemacht hatten, haben sie sich zumindest einen neuen Namen für den Hof ausgedacht: Tegerhof; in Anlehnung an den altdeutschen Namen für Degerloch „Tegerlohe“. Und noch etwas machen die Brüder anders als die Familie Wais: Es soll nicht nur Gänse, sondern von diesem Sommer an auch Black-Angus-Rinder auf dem Tegerhof geben, deren Fleisch die Haags dann verkaufen wollen.

Angefangen hatte der bäuerliche Betrieb zwischen Degerloch und Möhringen vor knapp 30 Jahren. Seit 1996 wurden dort Gänse gehalten. Im Jahr 2003 übernahm Rolf Wais als 19-Jähriger den Betrieb seiner Eltern. Bis zu seinem Tod sind auf der großen Weide jährlich bis zu 1000 Gänse herumgewatschelt.