Regio ist längst das neue Bio. Hofläden sind für Freunde der regionalen Ernährung eine gute Alternative. Zu Besuch im Lindenhoflädle, der Marktschwärmerei und bei Bauer Klaus. Mit interaktiver Grafik.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Als kleiner Bub hat Wilhelm Maier oft seinen Patenonkel in Stuttgart, er nennt ihn liebevoll-schwäbisch „Dede“, in Stuttgart mit Eiern vom Familienhof beliefert. Seit einem halben Jahr bringt Bauer Maier seine Eier wieder in die Innenstadt. Im Herbst letzten Jahres hat Maier das Projekt gewagt und inmitten des Heusteigviertels an der Weißenburgstraße 12 einen Hofladen eröffnet. Dort verkauft nun sein Sohn Alexander die eigenen, regional angebauten Produkte von seinen Feldern, aus seinen Ställen sowie von den Landgütern der Verwandten.

 

Jeden Morgen fährt Alexander Maier mit den frischen Waren vom Hof in Neustetten-Wolfenhausen die rund 50 Minuten in die Stadt. Vor der Tür wartet nun eine grüne Kuh auf Kunden. Die kommen aber bisher nicht so zahlreich wie gewünscht: „Viele wissen wohl noch nicht, dass wir hier sind“, bedauert er. Obwohl doch immer mehr Leute regional einkaufen und genau wissen wollen, wo ihre Produkte herkommen.

Pferde, Kühe oder ein Traktor – ein Hofladen ist ein emotionales Einkaufserlebnis

Andere Höfe wie zum Beispiel der Reyerhof in Möhringen, der Haldenhof in Plieningen und auch Bauer Klaus in Möhringen verkaufen ihre Waren direkt auf dem Hof. Da läuft das Geschäft oft etwas besser. Nicht nur, weil Karotten, Salat und Kartoffeln vom eigenen Feld kommen. „Das ist einfach ein Einkaufserlebnis. Das ist was Emotionales“, glaubt Klaus Brodbeck. Die Pferde, der Traktor, der Bauer – deswegen fahren die Leute gerne mal ein paar Kilometer mehr, um nicht nur einen schnöden Einheitssupermarkt vorzufinden. Aber: „Wer mit einem Einkaufszettel kommt, wird bei mir nicht glücklich.“ Im Hofladen gibt es eben das, was auf dem Feld gerade wächst.

Etwa 250 landwirtschaftliche Betriebe und Gärtnereien zählte die Stadt Stuttgart im Jahr 2014 noch. Gerade für Landwirtschaft und Gartenbau spielt die Direktvermarktung eine große Rolle. Rund drei Viertel der Betriebe verkaufen ihre Produkte selbst – im Hofladen, im eigenen Besen, auf dem Markt oder mit einem Stand auf dem Feld.

Vor allem Milchbetriebe tun sich schwer auf dem Markt

Die Strukturen der Betriebe in Stuttgart sind unterschiedlich. Der Wandel in der Landwirtschaft hat zur Aufgabe von Kleinbeständen oder zur Spezialisierung auf eine Tierart geführt. Klaus Brodbeck kennt das selbst. Der Kreisvorsitzende des Stuttgarter Bauernverbandes hat schon lange kein eigenes Vieh mehr auf dem Hof an der Lohäckerstraße 18. Vor etwa zehn Jahren hat er die 30 Kühe abgegeben. „Es war absehbar, dass die Marktentwicklung bei der Milch nicht gut ist“, sagt der 54-Jährige. Es blieben zwei Möglichkeiten: vergrößern oder aussteigen. Er hat sich für Letzteres entschieden. „Was ich von Kollegen höre, war das die beste Entscheidung.“

Seine Eltern haben noch gut von nur 20 Milchkühen leben können, seine Großmutter war sogar noch als Milchmädchen unterwegs. „Die ist noch die Weinsteige runter mit dem Wägele und hat dort unsere Milch angeboten“, erzählt Brodbeck. 40 Cent kostet die Milch heute oft nur im Discounter. „Die Wertschätzung fehlt komplett.“ Auf den Regio-Trend wartet er noch: „Man hört es, man liest es, die Nachfrage nach regionalen Produkten werde besser“, sagt Brodbeck. Doch vom großen Run spürt er ebenso wie die Maiers nichts. Wie er als Landwirt überlebt? Aus seinen Ställen hat er ein Pferdehotel gemacht und bietet über „Meine Ernte“ Gärten zum Mieten für Großstädter mit Traum vom eigenen Stückle an. Kreative Ideen seien wichtiger denn je, sagt er.

Thomas Schädler zum Beispiel ist bei einem Streifzug durch Berlin auf eine sogenannte Marktschwärmerei gestoßen. Via Internetplattform können sich Kunden ihre regionalen Produkte bestellen und an einem zentralen Ort abholen. Seit zwei Monaten bietet Schädler freitags zwischen 17 und 19 Uhr eine Marktschwärmerei an der Kulturinsel in Bad Cannstatt an. Neben Obst, Gemüse, Fleisch und Brot verkaufen die Landwirte Ölkürbis oder vegane Marmeladen.

Ein Frische-Automat liefert 24 Stunden Frisches vom Feld

Schädler ist Marketingberater für Direktvermarkter, die Marktschwärmerei ist sein Hobby. Zwölf Bauern sind bisher bei ihm eingestiegen, 20 Kunden haben sie etwa. Das lohnt sich für die Händler noch kaum. Sie brauchen mehr Kunden. Schädler hofft auf weitere Stationen in anderen Stadtteilen. Weiter als fünf Kilometer fahre niemand zum Einkaufen. Warum es sich trotzdem lohnt, über die Marktschwärmerei einzukaufen? „Wir haben keine reine Handelsware, sondern besondere Sachen und direkten Kontakt zu den Händlern.“ Die Kulturinsel hat Schädler ausgesucht, weil er auf einen Synergieeffekt zwischen der Marktschwärmerei und der Klientel des Biergartens hofft.

Wilhelm Maier hatte übrigens noch eine andere Idee, wie seine Produkte von seinem Hof zu den Kunden kommen: ein 24-Stunden-Frischeautomat im Ladeneingang mit Fleisch, Eier, Milch und sogar Grillzeug.