Zu Holi, einer Art Karneval in Indien, bewerfen sich die Leute mit Farbpulver und -beuteln. Es ist ein buntes Fest, bei dem soziale Schranken fallen.

Neu Dehli - Einmal im Jahr, wenn der Vollmond den Wechsel vom Winter zum Frühling markiert, herrscht in Indien für einige Tage Ausnahmezustand. Und die halbe Nation sieht aus, als wäre sie kopfüber in den Tuschkasten gefallen. Dann feiert das Land Holi, auch Festival der Farben genannt, eine Art indische Variante des Karnevals. Je bunter, desto besser.

 

Selten erlebt man Indien so ausgelassen und fröhlich wie in diesen Tagen. Das Festival gehört zu den wichtigsten Hindufesten und wird vor allem im Norden des Landes ausgiebig zelebriert. Je nach Region dauert der kollektive Farbrausch zwei bis zehn Tage. Man feiert so den Sieg des Frühling über den Winter, den Triumph des Guten über das Böse und ehrt die Götter.

Die sozialen Schranken fallen

Allerorten beschmieren und bewerfen sich Menschen gegenseitig mit parfümiertem Farbpulver, bis sie von Kopf bis Fuß bunt eingetaucht und bestäubt sind. Oder bespritzen sich mit gefärbtem Wasser. Ähnlich wie im Karneval fallen die sozialen Schranken – zwischen den Geschlechtern, zwischen Arm und Reich, zwischen Boss und Untergebenem, zwischen Schüler und Lehrer. An Holi sind alle Menschen (fast) gleich, das rigide Kastensystem lockert sich. Jedenfalls für ein paar Stunden.

Doch ganz harmlos sind die Farbspiele nicht immer. Auf den Straßen vor allem der nordindischen Metropole Delhi geht es bisweilen auch rabiater zu, der Gang zum Markt gerät zum riskanten Spießrutenlauf, zumal nicht alle Holi-Fans unschädliche, natürliche Farben benutzen. Marodierende Jugendbanden ziehen um die Häuserblocks, um Leute mit Farbbeuteln zu bewerfen. Kleine Kinder attackieren von Terrassen und Dächern aus Passanten mit Wasserbomben und -pistolen. Und junge Männer bewerfen aus dem Auto oder vom Moped aus Fußgänger, am liebsten weiblichen Geschlechts, mit Farbbeuteln, bisweilen sogar mit faulen Eiern oder anderen dubiosen Flüssigkeiten. Wer unbeschadet und unbemalt von einem Ort zum anderen kommen will, tut daher gut daran, hinter Bäumen und parkenden Autos Schutz zu suchen, sobald sich ein Motorengeräusch nähert. Und es empfiehlt sich nur alte Klamotten zu tragen. Manche Farben gehen erst nach Wochen wieder von der Haut ab.

Ein Joghurt-Drink mit einer Prise Cannabis gehört dazu

Gesitteter geht es auf den privaten Holi-Partys zu. Dort werden meist auch natürliche Farben verwendet, die schonender für Haut und Haar sind. Dabei gehört Bhang-Lassi, ein Joghurtdrink mit einer kräftigen Prise Cannabis, zum traditionellen Holi-Trunk. Vor allem Ausländer unterschätzen gerne die berauschende Wirkung des Gebräus – und verbringen den Rest der Party, selig grinsend und völlig außer Gefecht gesetzt, auf dem Sofa. Auch Alkohol, früher eher verpönt, wird heute in den Städten zunehmend konsumiert.

Um die Ursprünge Holis ranken sich, wie in Indien üblich, gleich mehrere komplizierte Mythen und Legenden, die sich von Gebiet zu Gebiet unterscheiden. Holi gilt auch als Fest der Versöhnung, an dem alte Streitigkeiten beigelegt werden.

Der Brauch dient dazu, Konflikte zu beseitigen

In der Stadt Rajkot im Bundesstaat Gujarat soll es noch heute üblich sein, dass man an Holi wildfremde Menschen auf der Straße wüst beschimpft. Dieser Brauch dient dazu, dass man Konflikte beilegt, indem man für einige Stunden Dampf ablässt. In der Stadt Visnagar, ebenfalls in Gujarat, sollen sich die Bewohner früher sogar wild mit Schuhen beworfen haben. Heute sollen die Schuhe allerdings durch Gemüse ersetzt worden sein.

Im größten Teil von Indien ist Holi allerdings vor allem eine heitere, ausgelassene Farbenschlacht. Die Festtage beginnen vielerorts mit dem Entzünden von Freudenfeuern. Darin wird eine Strohfigur, die Holika, verbrannt. Dies soll an den kindlichen Prinzen Prahlada erinnern, der auf wundersame Weise der Dämonin Holika entfliehen konnte. Ein sehr ähnliches Fest, Nourouz genannt, feiert man im iranischen Kulturkreis. Auch in Pakistan, Nepal und Bangladesch finden sich Holi-ähnliche Feiern.