Auch mit achtzig Jahren mischt Robert Redford noch mit im Filmgeschäft. Sein großer Durchbruch kam mit einer Banditenrolle in „Butch Cassidy und Sundance Kid“. Wir haben uns das Werk noch einmal angesehen. Und: der junge Redford kann auch heute noch überzeugen. Er ist allerdings böser, als man ihn in Erinnerung hat.

Stuttgart - Es ist eine bedrohliche Nahaufnahme, in der wir Sundance Kid kennenlernen. Er spielt in „Butch Cassidy und Sundance Kid“ gerade Poker, und die Kamera schaut zwischen seinen Kontrahenten hindurch und zielt auf ihn. Der Rücken des einen, die Flanke des anderen Spielers wirken wie Wände. Kid, der pausenlos gewinnt, wie ein Spieler anmerkt, müsste festgesetzt wirken. Aber so kalt und wach, wie er die anderen mustert, so verächtlich knapp er antwortet, scheinen eher die anderen von ihm eingesperrt zu sein.

 

Was das Geheimnis seines Glücks sei, wird der von Robert Redford gespielte Kid gefragt, und das ist eine Provokation. „Beten“, antwortet er in einem Ton, der kein bisschen nach Entspannung strebt. Gleich wird die Situation eskalieren, wird der Gegenspieler dastehen, die Hand überm Colt, und den Vorwurf des Falschspiels nun offen aussprechen. Und Sundance Kid wird sitzen bleiben, stahlfedergespannt, bitter zielbewusst, und aus der Position des vermeintlich Chancenlosen heraus die Selbstdemütigung des Widersachers fordern. Er gehe erst, verkündet er, wenn der andere ihn bitte, zu bleiben.

Robert Redford – Ein Gauner mit gruseligen Zügen

So wie dieser Western aus dem Jahr 1969 eine seiner Titelfiguren einführt, stellt man eigentlich keinen Sympathieträger vor. Sundance Kid, erfahrener Bank- und Eisenbahnräuber, Schießkünstler ohnegleichen, wie sich bald zeigen wird, bekommt hier nicht nur einen sehr harten Zug. Etwas fast schon Psychopathisches umflackert ihn, ein gruseliges Einverständnis mit der Extremsituation der Todesnähe, als fühle er sich im fatal verengten Moment des Du-oder-ich, Schnell-sein-oder-sterben wohler und geborgener als in den vielen normalen Stunden eines offenen Lebens voll unüberschaubarer Entscheidungsverzweigungen.

Die bedrohliche Schraffierung des jungen Banditen ist nicht das erste, was einem einfällt, wenn man an „Butch Cassidy und Sundance Kid“ denkt. Der von George Roy Hill inszenierte Film wird wegen seiner Mischung aus Witz und Melancholie, Optimismus und Untergangsstimmung geschätzt. Das alte Banditenleben ist im Wilden Westen kaum noch möglich. Butch, gespielt von Paul Newman, und Sundance, die ihre Schwerverbrechen als schelmische Jungenstreiche begreifen wollen, werden mit einer neuen Härte der Verfolger konfrontiert. Es geht nun ums Ende ihres Lebensmodells und gar um eine Neudefinition der Gesellschaft.

Und so brechen sie auf, gehen nach Bolivien, wo alles noch ganz anders sein soll. Das entpuppt sich als Irrtum. Butch und Sundance in der Falle, draußen auf allen Dächern uniformierte Soldaten mit Gewehren, das liefert gegen Ende ein starkes Bild für anarchische Individuen, die von einer industrialisierten Normierungsmacht aus der Welt geschafft werden.

Leise und ohne Mätzchen

„Butch Cassidy und Sundance Kid“ ist ein Hippie-Western der Vietnam-Ära, in dem die Hoffnung auf ein freieres Leben und die Ahnung eines unfreieren miteinander ringen. Beim Wiedersehen fällt auf, wie sehr der Widerspruch zwischen Hell und Dunkel beim ersten Auftritt Redfords von außen nach innen geholt und wie skeptisch die Frage gestellt wird, ob dieser Aussteiger Sundance wirklich ein netter Kerl ist.

Robert Redford, der am 18. August achtzig Jahre alt wird, war immer ein leiser Darsteller, kein Szenenokkupant. Er spielt Szenen oft von hinten heraus, lässt seinen Partner Newman mal um mal in den Vordergrund rücken, ohne mit irgendwelchen Mätzchen den Fokus auf sich verlagern zu wollen. Wer ihm zuschaut, erlebt eine Meisterklasse in Charismakontrolle.

Der Neuling Redford stach Steve McQueen aus

Weder kokettiert Redford mit seinem guten Aussehen noch dreht er seinen Charme voll auf. Er nimmt sich zurück und weckt so die Frage, was eigentlich los ist in Sundance, was er denken, womit er ringen mag. In vielen Filmen, die Redford in den Jahrzehnten nach seinem Durchbruch gedreht hat, wendet er diese Technik an, in „Jeremiah Johnson“ (1972), „Die drei Tage des Condor“ (1975), „Die Unbestechlichen“ (1976) und „Der Unbeugsame“ (1984). Auch wenn die Aufmerksamkeit der Kamera ganz auf ihm liegt, wird seine Figur nie völlig durchschaut und offengelegt.

Niemand sah in Robert Redford den harten Burschen

Redfords Männer passen nicht ganz hinein in die Welt, in der sie leben, sie machen sich ihre eigenen Gedanken, haben eigene Ziele, Leidenschaften, Ideale. Auf sachte Art ist Redford der wandelnde Dissens, und selbst im Gaunerklamauk „Der Clou“ (1973), den wieder George Roy Hill mit ihm und Newman drehte, ist Redfords Figur die mit Abstand geheimnisvollste, der lockere Ganove, der ganz Grundsätzliches für sich zu behalten scheint.

Als „Butch Cassidy und Sundance Kid“ in Produktion ging, waren diese Qualitäten von Robert Redford noch weitgehend unerprobt. Er hatte zwar schon ein paar schöne Komödienauftritte hinter sich, in Gene Saks „Barfuß im Park“ etwa, aber niemand sah in ihm den harten Kerl. Das Studio Fox hatte William Goldmans Drehbuch für die Rekordsumme von 400 000 Dollar gekauft, und dieses Risiko sollte durch Starpower abgesichert werden. Steve McQueen und Newman waren als Duo im Gespräch, dann Marlon Brando und Newman, und nach einer Weile in typischer Hollywood-Manier jeder, der Marktwert besaß. Dass der Neuling Redford die Chance bekam, gehört zu den Unwahrscheinlichkeiten, die Filmgeschichte schrieben.

Noch immer rebellisch

Eigenwillig wie seine Filmfiguren ist auch Redford selbst geblieben. Er meidet bis heute Hollywoods Getriebe, engagiert sich für Indianerechte, Naturschutz und Migranten und ist zum Übervater der Independent-Filmszene geworden. Das von ihm 1978 gegründete Festival für junge, noch nicht normierte Produktionen heißt nicht von ungefähr Sundance Film Festival.

Butch und Sundance sind am Ende zwar chancenlos eingekesselt. Aber als sie dann durch die Tür ihres Verstecks ins Freie springen, die Colts in den Fäusten, hört man die Gewehrsalven der Soldaten nur auf der Tonspur. In einer der klassischen Schlussszenen Hollywoods friert das Bild ein, es zeigt die Helden ewig lebendig und trotzig und nimmt das Sepia der Legende an. Redford ist solchem Lobpreis des rebellischen Geistes treu geblieben. Nur mit blinder Heldenverehrung sollte man sich ihm und seinen Charakteren nicht nähern. Dem steht schon die Pokerszene in „Butch Cassidy und Sundance Kid“ entgegen.

Butch Cassidy und Sundance Kid
. 20th Century Fox DVD/Blu-ray. 110 Minuten. Ca. 8 Euro.