Eine neue Verordnung verpflichtet Arbeitgeber, wo immer es möglich ist, ihren Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen. Zahlreiche Menschen arbeiten in der Pandemie seit Monaten im Homeoffice. Ihre Erfahrungen haben sie uns geschildert.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Wie halten Sie es mit Homeoffice? Und was halten Sie davon? Welche Vorteile sehen Sie, welche Schwierigkeiten, und welche Wünsche haben Sie an Politik und Arbeitgeber? Das haben wir unsere Leserinnen und Leser gefragt – und zahlreiche Zuschriften erhalten. Darin überwiegen positive Erfahrungen mit Heimarbeit. Ein Stimmungsbild.

 

Beate Winter: Immer dieselben Wände

Ich arbeite seit Mitte März 2020 vorwiegend im Homeoffice. Monatelang immer die selben Wände um sich zu, keinerlei spontane Begegnungen mit Kollegen haben, niemanden zu treffen, das ist extrem belastend. Ich bin sehr froh, dass meine Firma kein Betretungsverbot ausgesprochen hat, denn so habe ich zumindest noch das Ventil auch mal ins Büro gehen zu können. Ich genieße das als Privileg.

Gerhard Schindler aus Stuttgart: Schon seit 1987 im Homeoffice

Ich arbeite schon seit 1987 im Homeoffice, weil meine Firma sehr innovativ und fortschrittlich war. Was mir am Anfang am meisten fehlte, war der persönliche Austausch mit Kollegen. Ich vereinsamte etwas. Mit der Zeit gab sich das, aber es fehlte doch etwas. Homeoffice verlangt viel Selbstdisziplin, um nicht zu verwahrlosen, also nicht im Schlafanzug zu arbeiten oder die Leistung zu vernachlässigen. Das Platzangebot zu Hause ist ganz wichtig. Wir haben zwei Kinder, aber einen freien Raum. Vergessen wird oft, dass auch das Büromaterial einen Platz braucht wie Drucker, Papier, wichtige Dokumente, Büroschrank etc. Rückblickend betrachtet wollte ich auf mein Homeoffice nicht verzichten. Ich habe mich anders entwickelt, als wenn ich im Büro gearbeitet hätte. Ich hatte intensiven Kontakt mit meinen Kindern, konnte flexibler arbeiten, lernte mich gut selbst zu organisieren und lernte wirtschaftlicher zu denken, was dazu führte, dass ich mich später mit meiner Frau mit einem Homeoffice selbstständig machte – auch wenn ich dadurch die Aufstiegsmöglichkeiten in der Firma aufgab.

Torsten Jans aus Stuttgart: Homeoffice nur ein Kompromiss

In besonderen Zeiten muss man mit dem Kompromiss Homeoffice leben, umgehen und dies ermöglichen, ansonsten gilt: zuhause ist privat, gearbeitet wird im Büro.

Andrea Gerhart aus Aichtal: Fürsorgepflicht und Vertrauensbeweis vom Arbeitgeber

Ich persönlich empfinde das Arbeiten im Homeoffice als sehr angenehm. Damit ist die Gefahr zu infizieren reduziert. Zudem wird auch ein Beitrag für den Umweltschutz geleistet, da einige Kollegen/innen mit dem Auto zum Arbeitsplatz fahren. Ich selbst habe an Homeofficetagen eine Zeitersparnis von mindestens eineinhalb Stunden. Meinem Arbeitgeber bin ich sehr dankbar dafür, dass er so verantwortungsbewusst die Arbeitsbedingungen in der Pandemie angepasst hat, was zum einen schon irgendwie die Erfüllung der Fürsorgepflicht bedeutet und zum anderen auch einen großen Vertrauensbeweis darstellt.

Gerhard Löffler aus Großbottwar: Ausgebremst durchs Reiseverbot

Als Technischer Außendienstler bin ich durch Reiseverbote ziemlich ausgebremst worden. Mein Arbeitsbereich wurde auf den Kopf gestellt. Dann folgte zuerst eine etwas halbherzige Homeoffice-Lösung, die inzwischen gut reguliert im Wechsel mit Kollegen/-innen stattfindet. Anfangs fühlte ich mich zu Hause etwas unwohl, da natürlich auch einiges weniger an Arbeitsaufkommen vorhanden war und sich die Leerläufe wie „Blaumachen“ anfühlten. Durch Kurzarbeit änderte sich dieser Eindruck. Viele Kunden/Partner und Kollegen haben sich auf die Kommunikation per Online-Meeting etc. eingestellt. Es entwickelte sich eine gute, sinnvolle Arbeitsauslastung. Ich frage mich, warum ich jeden zweiten Tag im Büro anwesend sein muss. Der Kontakt in andere Abteilungen soll ja auch nicht persönlich stattfinden. Ich hab mein Zuhause gut eingerichtet, Stehtisch, gutes WLAN etc. Der ständige Wechsel zwischen Büro/Zuhause ist nervig und kostet unnötig Zeit.

Matthias Gottschalk aus Renningen: Zu zweit im Homeoffice

Ich war im Oktober und November zu 80 Prozent im Homeoffice, seit Anfang Dezember bin ich zu 100 Prozent daheim. Erst war es eine Umstellung, aber mittlerweile genieße ich die Vorteile. Da meine Frau auch im Homeoffice ist, müssen wir unsere Termine aufeinander abstimmen. Bei zwei parallelen Videokonferenzen macht der Internetanschluss sonst Probleme. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass ich eine gute Mischung aus mobilem und Vor-Ort-Arbeiten finde und Politik und Arbeitgeber gute Rahmenbedingungen schaffen.

Jürgen Borkhart aus Korntal-Münchingen: Auf dem Weg zur Zweiklassengesellschaft

Einerseits ist es gut, wenn die Möglichkeit zum Homeoffice besteht. Andererseits mutieren wir immer mehr zur Zweiklassengesellschaft. Denn noch resultiert ein Großteil unseres Wohlstands aus der Herstellung und Veredlung von Waren und Produkten. Banken und Versicherungswelt und Verwaltungsbeamte haben beim Homeoffice sicherlich Vorteile. Eine Vielzahl von Menschen ist nach wie vor in Betrieben mit Schichtarbeit beschäftigt, durchleuchtet von Betriebsdatenerfassungen und Leistungsnachweisen. Diese Gruppe ist auch noch häufig der Teil der Bevölkerung, der täglich im ÖPNV unterwegs ist. Ich halte es auch nicht für unproblematisch, wenn eine Zusammenarbeit von „Homeofficlern“ und „Präsenztätigen“ notwendig wird. Es ist vielleicht „oldschool“, aber wenn es Probleme vor Ort gibt, kann ich diese nur bedingt virtuell lösen. Man könnte darüber nachdenken, diesem gar nicht kleinen Teil der „Präsenztätigen“ kostenlos FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen.

Anke Jung aus Stuttgart: Homeoffice kann auch zur Qual werden

Ich war ab Mitte März 2020 zwei Monate im Homeoffice und im November und Dezember im Wechsel zwischen Homeoffice und Büro. Seit Januar arbeite ich wieder ständig im Homeoffice. Das Arbeiten zu Hause, empfinde ich, ist deutlich aufwendiger als im Büro, da mir nicht das gesamte technische Equipment zur Verfügung steht. Ich habe zwar einen Schreibtisch, sodass ein einigermaßen bequemes Arbeiten möglich ist. Wenn aber mein Mann ebenfalls Homeoffice macht, sitzt einer von uns acht Stunden am Couch- oder Esstisch. Das ist alles andere als bequem. Für einen weiteren Schreibtisch haben wir keinen Platz. Dieses Problem haben viele andere auch. Daher zieht mein Mann das Büro dem Homeoffice vor. Homeoffice ist ein Mittel zur Kontaktbeschränkung, jedoch sollten auch die häuslichen Begebenheiten passen. Sonst wird Homeoffice zur Qual.

Andreas Lorey aus Stuttgart: Auch in Zukunft verstärkt ins Homeoffice

Meine Erfahrung mit Homeoffice ist grundsätzlich positiv. Mein Arbeitgeber Netze-BW hat schon im März vergangenen Jahres alle Mitarbeiter gebeten, von zu Hause zu arbeiten, wenn möglich. Seitdem sind Videokonferenzen an der Tagesordnung, Besprechungen finden fast vollständig digital statt. Wer wollte konnte seine Arbeitsplatzausstattung aus dem Büro nach Hause nehmen. Zum Glück haben wir auf dem Dachboden noch ein Zimmer, in dem ich arbeiten kann, und die Internetverbindung funktioniert auch einigermaßen. Schwierig war, dass die Betreuung unseres behinderten Kindes in der ersten Phase des Lockdowns bis zu den Sommerferien komplett eingestellt wurde. Da meine Frau ebenfalls berufstätig ist, war es einerseits gut, tagsüber zu Hause zu sein, andererseits ist die Doppelbelastung arbeiten und Kinder versorgen recht anstrengend. Inzwischen haben wir uns auf die neue Situation eingestellt, merken allerdings, dass der Umgang den Menschen in der richtigen Welt schon fehlt. Wir hoffen natürlich, dass wir bald zur Normalität zurückkehren können. Ich gehe aber davon aus, dass ich auch in Zukunft verstärkt aus dem Homeoffice arbeiten werde.

Uta Zepf aus Stuttgart: Profitiere vom Homeoffice

Homeoffice ist eine prinzipiell einfache Möglichkeit. Ich profitiere davon und möchte auch nach der Pandemie zwei meiner vier wöchentlichen Arbeitstage in Telearbeit arbeiten. Ich vermisse den persönlichen Kontakt nicht so sehr wie viele andere, ich arbeite gern selbstständig und alleine. Bei jungen Kolleg*innen habe ich erlebt, dass Homeoffice bei geschlossenen Kitas ein Balanceakt ist und viel Kraft raubt, zumal nicht alle Arbeitgeber Verständnis für familiäre Schwierigkeiten zeigen. In beengten Wohnverhältnissen, wenn einer im selben Raum in Ruhe arbeiten will, während die andere eine Videokonferenz hat, oder wenn gar noch Kinder bespaßt werden wollen, kann ich mir Homeoffice nicht vorstellen. Von den Arbeitgebern wünsche ich mir mehr Kreativität bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen. Und die Politik sollte zur Kenntnis nehmen, dass Homeoffice und gleichzeitige Kinderbetreuung beziehungsweise Homescooling nicht geht, und endlich Konzepte entwickeln, wie einerseits Familien nicht überfordert werden, andererseits Erzieher und Lehrer geschützt werden können.

Florian Kaminski aus Marbach am Neckar: Arbeite effektiver als im Büro

Ich arbeite in der Entgeltabrechnung und bin zurzeit im Schnitt zwei bis drei Tage pro Woche im Homeoffice und ein bis zwei Tage im Büro. 85 bis 90 Prozent meiner Arbeit kann ich auch von zuhause erledigen. Nur die Hauspost, Briefe, Abrechnungen einkuvertieren – das geht nur im Büro. Ich persönlich kann zuhause effektiver arbeiten als im Büro. Und es entfällt ja auch der Weg zur Arbeit und zurück nach Hause. Die Abgrenzung zwischen Beruf und Privatem finde ich ganz einfach – sobald ich mich am PC von der Arbeit abmelde, fängt die Freizeit an. Ich hoffe ich bekomme auch nach der Pandemie die Möglichkeit ein bis zwei Tage pro Woche von zuhause aus zu arbeiten.

Peter Rädler aus Deizisau: Der Kontakt zu den Kollegen fehlt

Homeoffice ist ein guter, aber nicht der allein rettende Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie. Seit zehn Monaten arbeiten meine Kolleg*innen und ich verstärkt von zu Hause aus. Der Arbeitsalltag funktioniert ganz gut. Unser Betrieb hat zum Glück schon Monate davor die Voraussetzungen dafür geschaffen. Was fehlt, ist der zwischenmenschliche Kontakt. Persönliches wird wenig erwähnt, unterschiedliche Meinungen sind schwer zu kanalisieren. Nach meiner Beobachtung fällt es vielen schwer eine gute Zeitstruktur zu finden. Ich wünsche mir noch mehr Unterstützung für eine noch bessere Nutzung der Software. Aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau. Bei den Kindern und Jugendlichen, die Homeschooling oder Homestudying machen, ist die Sache viel schwieriger, denn sie brauchen dringend menschliche Wärme unter ihresgleichen und soziale Kontakte. Und da fängt meine Kritik an: Das wirtschaftliche Leben wird nach meinem Eindruck bisher weniger streng behandelt. Ich erwarte, dass die Einhaltung der Corona-Maßnahmen in gleicher Weise organisiert wird, wie der betriebliche Arbeitsschutz. Zwar werden am Arbeitsplatz die Hygienemaßnahmen einigermaßen eingehalten werden, in den Pausen (Kaffeeküchen, etc.) ist das aber oft nicht sichergestellt. Die Gewerbeaufsicht sollte das so kontrollieren, wie die Polizei das am Schlittenbuckel tut.

Wir bedanken uns bei allen Einsenderinnen und Einsendern für ihre Beiträge.