Die baskische Polizei versucht den Tod von acht Männern aufzuklären. Im Zentrum steht eine Dating-App für Schwule. Ein Verdächtiger stellt sich und sagt: Ich war’s nicht.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Plötzlich tauchen überall sein Foto und sein Name auf: Der junge Mann gerät in Panik. Am Donnerstagnachmittag hat erstellte er sich in Irún, nahe der französischen Grenze gestellt, und gesagt, da müsse ein Irrtum vorliegen. Er sei kein Mörder. Die Polizei behielt ihn trotzdem da. Der baskische Sicherheitsminister Josu Erkoreka bestätigte die Festnahme, gab aber keine weitere Erklärung ab. Die Ermittlungen seien geheim.

 

Ganz geheim sind sie allerdings schon seit längerem nicht mehr. Auch wenn es noch keinen offiziellen Bericht gibt, ist doch einiges durchgesickert. Die Polizei hat den Verdacht, dass in Bilbao, der größten Stadt des Baskenlandes, ein Männermörder unterwegs ist. Sie prüft acht Todesfälle, deren Umstände sie für ungewöhnlich hält. Auch ein Todesfall in Madrid und ein weiterer in Alicante passen ins Raster. Sollte sich die Mordserie bestätigen, wäre sie die opferreichste seit Jahrzehnten in Spanien.

Über eine Dating-App kennengelernt

Zwei Anzeigen haben die Polizei offenbar auf den Verdacht gebracht, dass in Bilbao mehrere miteinander in Verbindung stehende Verbrechen begangen worden sein könnten. Am 18. Oktober vergangenen Jahres starb in seiner Wohnung in der Altstadt von Bilbao ein 43-jähriger Mann eines nichtgewaltsamen Todes. Eine Woche später meldete sich ein Bruder des Verstorbenen bei der Polizei und berichtete, dass nach dessen Tod seine Konten abgeräumt worden seien. Es sah danach aus, als habe sich jemand seiner Bankdaten bemächtigt.

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Zwei Monate später meldete ein anderer Altstadtbewohner, dass er in seiner Wohnung von einem jungen Mann angegriffen worden sei. Sie hätten sich über eine Dating-App für schwule Männer kennengelernt; er habe den Jüngeren zu sich in die Wohnung eingeladen, wo dieser erst mit Küssen über ihn hergefallen sei, ihn dann aber zu würgen begonnen habe.

Wie eine Geschichte aus einem Kriminalroman

Als der Angegriffene um Hilfe zu schreien begann, sei der Angreifer aus der Wohnung geflohen. Zurückgelassen habe er einen Rucksack mit seinen Papieren und einer Droge, die als Liquid Ecstasy bekannt ist. Der Name der Droge ist irreführend (sie hat chemisch nichts mit Ecstasy zu tun), aber sie brachte die Polizei auf eine Idee: Vielleicht gab es einen Täter, der seine Opfer mit Drogen so gefügig machte, dass sie ihm Zugang zu ihren Kontodaten gaben. Später könnte dieselbe Droge – Gamma-Hydroxybuttersäure, kurz GHB – mit Alkohol gemischt zum Tode geführt haben, ohne Spuren zu hinterlassen. GHB ist nach sechs bis acht Stunden nicht mehr im Blut nachweisbar.

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Das klingt wie eine Geschichte aus einem Kriminalroman. Aber offenbar fand die Polizei erst vier, dann insgesamt acht Fälle schwuler Männer, die in der Altstadt von Bilbao in den vergangenen Monaten unter – zumindest auf den zweiten Blick – auffälligen Umständen gestorben waren.

Der Festgenommene beteuert seine Unschuld

Als möglichen Täter nahm sie den Mann ins Visier, der im Dezember seinen Rucksack in der Wohnung seiner Netzbekanntschaft zurückgelassen hat. Das soll der Mann sein, der sich am Donnerstag freiwillig stellte und seine Unschuld beteuerte. Zu den durchgesickerten Informationen gehört, dass er schon einmal vor drei Jahren wegen Betrugsverdachts festgenommen worden sei.

Aber ob er wirklich der gesuchte Männermörder ist, muss sich erst noch herausstellen – und auch, ob es in Bilbao tatsächlich eine Mordserie gegeben hat, wie die Polizei vermutet. So wie sich die Umstände der möglichen Taten zurzeit darstellen, wird es eine schwierige Aufklärungsarbeit.