In Horst Eckerts neuem Düsseldorf-Krimi kommt der Ministerpräsident von NRW eine Woche vor der Landtagswahl zu Tode. Der Druck auf die Polizei, nicht allzu genau zu ermitteln, wird schnell heftig.

Stuttgart - Eines kann man Horst Eckerts Krimis gewiss nicht vorwerfen: Mangel an Welthaltigkeit. Die ersten Polizeibeamten, die in „Schwarzlicht“ zu einer Leichenauffindung in einem Luxusapartment gerufen werden, sind bereit, das Szenario als bedauerlichen Unfall zu lesen. Eine Woche vor der Landtagswahl liegt der Ministerpräsident des Landes tot neben dem Swimmingpool, dumm ausgerutscht, wie es scheint. Aber dann schaut sich der Mordermittler Vincent Veih das Ganze an, und der Fall wächst sich im Zeitraffertempo ins Kriminelle und Politische aus.

 

Die Bespitzelung der Opposition mit nachrichtendienstlichen Mitteln, die Kungelei von willfährigen Politikern und betuchten Unternehmern, schwarze Parteikassen in der Schweiz und komprommitierende Amouren wahlplakatnotorischer Saubermänner, dazu massive Einflußnahmen von innen und außen in Medien und Strafverfolgungsbehörden auf Fortgang und Auswertung von Ermittlungen und Recherchen – das und mehr hat „Schwarzlicht“ zu bieten.

Man erwartet von Eckert auch nicht weniger. Der 1959 in der Oberpfalz geborene, aber seit mehr als einem Vierteljahrhundert in Düsseldorf ansässige Autor kommt im Normalfall mit dem ersten Satz aus der Ringecke und drischt bis zum letzten mit einer unablässigen Folge von Rechts-Links-Kombinationen auf den Glauben an die gute Obrigkeit und die feinen Eliten ein.

Keine Hirngespinste: Reale Fälle lassen grüßen

Nichts von dem, was Eckert erzählt, kann man als Hirngespinst und Übertreibung abtun. Er collagiert ja lediglich Elemente der Barschel- und der Engholm-Affäre, der Parteikassenskandale, auch des ganzen Affärenkuddelmuddels rund um den Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff.

Aber in dieser Verifizierbarkeit der Fiktion liegt auch ein Problem. Was Eckert hier aus diversen Jahren, Ecken und Aufregern des Landes zu einer aktuellen Geschichte zusammenzieht, will sich von seiner Herkunft nicht ganz lösen lassen. Der politische Teil von „Schwarzlicht“ wird einigen Lesern nicht als eigenes Ganzes erscheinen, sondern als Frankensteinsche Kreatur, zusammengenäht aus Leichenteilen aus dem deutschen Politsumpf.

Die Schäbigkeit der Polizei

Stimmiger ist die kleine Schäbigkeit des polizeiinternen Gerangels. Bei Eckert sind Ermittlungsentscheidungen immer auch Positionierungen im Karrierekampf, und dass Veih keine politischen, sondern fachliche Entscheidungen trifft, macht ihn keinesfalls unangreifbar. Dafür sorgen schon Kollegen, die ihn austricksen, vorführen, in die Falle manövrieren, in der aufgeheizten Stimmung eines Wahl-Showdowns.

Aber auch auf dieser Ebene der Fortschreibung seiner Düsseldorfer Amtsintrigensaga möchte man Eckert manchmal bremsen. Weil er Veihs Geschichte nicht hinter dem großen Polittheater zurückstehen lassen möchte, liefert er auch bei ihr mindestens einen Winkelzug zu viel.

So geht denn eine Nebengeschichte fast unter, aus der andere einen ganzen Roman gestrickt hätten (dem aus allen Ecken das Lob „viel mehr als ein Krimi“ zugeflogen wäre). Veih, eine neue Figur im Eckert-Kosmos, ist der Sohn einer verurteilten RAF-Terroristin, die mittlerweile wieder in Freiheit lebt und als Künstlerin arbeitet.

Wie vergangen ist die RAF?

Das kaputte Mutter-Sohn-Verhältnis ist schon interessant genug. Aber hier kommt noch die Frage hinzu, ob und auf welche Weise die Vergangenheit alle beide ganz frisch einholt. Kommen bislang nicht abgehandelte Verbrechen zu Tage? Agieren lediglich die Strafverfolger schikanös, weil das Bespitzeln alter RAF-Leute weniger brisant ist als etwa NSU-Ermittlungen? Oder ist Veihs Mutter vielleicht doch wieder in aktuelle militante Aktionen verwickelt? Wie vergangen ist die RAF?

Für Einsteiger in Eckerts Welt ist „Schwarzlicht“ wohl nicht die erste Wahl. Leser dieser mit wechselnden Hauptfiguren arbeitenden Düsseldorf-Serie werden aber wissen wollen, wie es weitergeht mit Nordrhein-Westfalens Variante der Amigo-Kultur. Und die Geschichte von Vincent Veih, zweiter Vorname Che, und seiner Mutter bietet viel Stoff für einen weiteren Roman.

Horst Eckert: „Schwarzlicht“. Roman. Wunderlich bei Rowohlt, Hamburg 2013. 384 Seiten, 19,95 Euro. Auch als E-Book, 16,99 Euro. Ab Ende Oktober auch als Hörbuch lieferbar, 19,99 Euro.