Drohen zehnjährige und ältere Kinder bei der Ganztagsbetreuung unter die Räder zu kommen? Dies befürchten Horteltern in Feuerbach. Doch auch andernorts klemmt es beim Umbau der Schülerbetreuung.

Stuttgart - Bei uns herrscht Schockstarre“, berichtet Michael Reischl. Der Vater mehrerer Kinder ist Elternbeirat in der städtischen Kita Böhmerwaldstraße/Linzer Straße in Feuerbach. Er und viele andere berufstätige Eltern sind davon betroffen, dass der Hort für Kinder nach der vierten Klasse die Betreuung einschränkt, beziehungsweise ganz aufkündigt, wie den Eltern im Februar überraschend mitgeteilt wurde.

 

Der Grund: der Hort platzt bereits wegen der Grundschulkinder aus allen Nähten und will diese bevorzugt bedienen. Laut Jugendamt habe sich die Hattenbühl-Grundschule trotz großer Nachfrage nach Schulkindbetreuung nicht zu einem Schülerhaus durchringen können oder dazu, Ganztagsschule zu werden. Dieses Problem stellt sich laut Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) auch an anderen Grundschulstandorten.

Grundschulleiterin fühlt sich für Betreuung nicht zuständig

Wie viele ihrer Grundschüler eine Betreuung brauchen oder wahrnehmen? „Dafür bin ich nicht zuständig“, erklärt Monika Gutke-Krais, Leiterin der Hattenbühlschule, auf Anfrage der StZ. „Wir sind nur der Raumgeber, den Bedarf haben wir nicht erhoben.“ Dies könnte sich womöglich schon bald ändern. Denn der letztmögliche Termin für die Antragstellung zur Ganztagsschule ist zwar der 1. Oktober 2021. Eisenmann hatte aber erst vor wenigen Tagen den Schulleitern die Dringlichkeit der Entscheidung für oder gegen eine Ganztagsschule in einem Brief deutlich gemacht. Planung und Umsetzung für eine Ganztagsschule dauerten rund vier Jahre. Wer zu spät komme oder den Beschluss wieder zurückziehe, bleibe Halbtagsschule. „Der Wunsch und der Bedarf nach Ganztagsschulen steigt, aber es wird keine Schule gezwungen“, so Eisenmann.

Insbesondere für die Familien in Feuerbach, aber auch andernorts, stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Betreuung es für die Fünft- und Sechstklässler an den weiterführenden Schulen gibt. Den Feuerbacher Eltern rät die Hortleiterin in einem Brief, sich nach einer alternativen Betreuung umzuschauen und behauptet: „Hier gibt es Angebote in der jeweiligen Schule.“ Diese Einschätzung teilen die Eltern allerdings nicht. So biete etwa das Leibniz-Gymnasium zwar dreimal in der Woche ein Mittagessen an, aber oft falle dort der Unterricht aus (wir haben darüber berichtet). „Und dann ist mein Großer nicht beaufsichtigt“, sagt die Mutter zweier Söhne, elf und acht. Denn vom nächsten Schuljahr an sei für den Großen Schluss mit dem Hort – „dann müsste ich aufhören mit Arbeiten“, befürchtet sie. „Die drücken die alten Kinder raus aus dem Hort, damit sie für die Kleinen mehr Plätze haben.“

Hort bietet älteren Kindern nur noch Teilzeit-Betreuung

Dies hat das Jugendamt der StZ bestätigt. Weil die Hattenbühlschule nicht Ganztagsschule werden wolle, müsse der Hort den Grundschülern eine Ganztagsbetreuung anbieten. Dabei versuche man, „durch Angebotssteuerung der Nachfrage gerecht zu werden“, erklärt Jugendamts-Vize Heinrich Korn. Älteren Schülern biete man künftig nur noch Teilzeit-Hortplätze an, also nicht an allen Wochentagen, aber mit Mittagessen und Ferienbetreuung. „Das ist eine soziale Abwägung zwischen den Bedarfsgruppen, die der Altersentwicklung Rechnung trägt“, erklärt Korn. Eine Besitzstandswahrung sei „an vielen Standorten durch den Ausbau der Betreuung an den Schulen hinfällig“.

Doch das gilt für weiterführende Schulen nur bedingt, wie die berufstätige Mutter eines Drittklässlers in der Hattenbühlschule und einer Siebtklässlerin am Leibniz-Gymnasium erfuhr. Auch Leibniz-Schulleiter Otto Fischer räumt ein, dort gebe es keine Ganztagsbetreuung, sondern nur dreimal in der Woche eine Hausaufgabenbetreuung durch Oberstufenschüler bis 14 Uhr. Für ihren Bub, folgert die Mutter, bleibe also nur das Neue Gymnasium, das mit G8 mehr Nachmittage abdecke. Schulen in anderen Stadtbezirken seien kaum eine Alternative, da diese zunächst die dort wohnenden Kinder aufnehmen. „Die Fünft- und Sechstklässler hat die Politik aus den Augen verloren“, sagt die Mutter. Auch der Gesamtelternbeirat habe „schon ein paarmal angemahnt, dass wir dringend ein Betreuungskonzept für die Kinder an weiterführenden Schulen brauchen“, wie dessen Vorsitzende Sabine Wassmer sagt.

Schulbürgermeisterin sieht Betreuung als Landesaufgabe

Die Schulbürgermeisterin sieht das hingegen nicht so: „An allen Realschulen und allen Gymnasien gibt es ein flexibles Angebot in unterschiedlicher Länge“, so Eisenmann. Hinzu komme das Programm außerschulische Bildung und Betreuung durch Jugendbegleiter, gefördert von Stadt und Land – das aber nicht alle Schulen nutzen. Eisenmann räumt ein: „Klar ist in Klasse fünf eine Erwartungshaltung der Eltern da.“ Sie selber habe aber „keine Rückmeldung über Probleme“. Im Übrigen sei das „kein Thema der Kommune“, sondern „eine Aufgabe des Landes“.

Auf Nachfrage der StZ heißt es im Kultusministerium jedoch: „Es ist die Aufgabe des Schulträgers, Betreuungsangebote an seinen Schulen bedarfsgerecht zu regeln.“ Dies gelte auch für die Sekundarstufe eins. Schließlich könnten auch Gymnasien über ihre Schulträger, also die Stadt, einen Antrag als offene oder gebundene Ganztagsschule stellen. Doch dies ist die Ausnahme. Letzteres bietet von den Stuttgarter Gymnasien bisher nur die Jörg-Ratgeb-Schule an – einen Bedarf dafür habe es bisher nur an einer jetzt sechsten Klasse gegeben, berichtet die Schulleiterin Brigitte Liebelt. Und die Zahl der offenen Ganztags-Gymnasien kann man an einer Hand abzählen.