In der Göppinger Innenstadt werden neue Häuser mit insgesamt knapp 300 Zimmern gebaut oder sind bereits fertig. Doch gibt es dafür überhaupt einen Bedarf?

Göppingen - Im Jahr 2017 hat das Hotel Ana Momentum am Göppinger Kornhausplatz eröffnet (89 Zimmer), 2020 folgte das „Holiday Inn Express“ in der Marktstraße (136 Zimmer) – und dazwischen entsteht ein „RiKu“ (72 Zimmer) neben der Kreissparkasse im neuen Zentrum Untere Marktstraße (ZUM): Wie Pilze nach einem Sommerregen schießen die Hotels in Göppingen aus dem Boden. Doch gibt es für die insgesamt fast 300 Zimmer hier überhaupt Bedarf?

 

„Kommt drauf an, wen Sie fragen“, lautet die lapidare Antwort von Susanne Weißkopf, Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), die im „Ochsen“ in Uhingen selbst 14 Zimmer anbietet. „Die Hoteliers sind froh, wenn sie die Betten belegen können.“ Die Reisetätigkeit sei auch Wochen nach dem Lockdown immer noch „total reduziert“. Dass weder Monteure unterwegs seien noch Messen oder Schulungen stattfänden, sei schmerzlich zu spüren.

Tourismus spielt nicht die Hauptrolle

Hinzu komme, dass die Göppinger Umgebung keine touristische Gegend darstelle, so Weißkopf, und sie fügt hinzu: „Auch wenn die Erlebnisregion Schwäbischer Albtrauf das anzukurbeln versucht.“ Sie rechnet deshalb damit, dass die vielen zusätzlichen Betten größtenteils frei bleiben werden und meint mit Blick auf die neuen Hotels: „Ich hoffe für alle, dass das eine gute Idee war.“ Ist es, findet Yvonne Wolff vom Management der „RiKu“-Hotels: „Göppingen ist ein sehr interessanter Standort“, teilt sie auf Anfrage mit. „Das steigende Angebot resultiert aus einer steigenden Nachfrage.“ Die Kette geht deshalb nicht davon aus, dass sich die Coronapandemie langfristig „gravierend negativ“ auf die Bettenauslastung auswirken könnte.

„Hatte Göppingen bis zu der Eröffnung des Ana-Hotels tatsächlich zu wenig Betten, sind es wohl jetzt zu viele“, sagt dagegen Kemal Altundag vom Hotel „Drei Kaiserberge“ am Schillerplatz und verweist auf eine weitere neue Herberge: das „Melvi“ im Grünewaldweg, etwa auf halbem Weg zwischen Hohenstaufen-Gymnasium und Großeislinger Straße gelegen, das vergangenes Jahr aufmachte. Altundag befürchtet nun einen Überhang im Markt und prophezeit: „Wir werden uns preislich gegenseitig die Köpfe einschlagen, um einigermaßen ausgelastet zu sein.“ Im „Drei Kaiserberge“ kehrten vor allem Geschäftsreisende ein. Göppingen biete außer dem Wirtschaftsleben auch nicht viel, meint er: „Ob sich das je ändern wird, wage ich zu bezweifeln.“

Stadtverwaltung wünscht sich mehr Kongresse

Im Rathaus sieht man das ganz anders. Der Stadtverwaltung kam laut Pressesprecher Olaf Hinrichsen in der Vergangenheit immer wieder zu Ohren, dass größere Tagungen und Kongresse mangels Hotelkapazitäten nicht in Göppingen stattfinden konnten. So gingen möglicherweise viele Übernachtungsgäste an Unterkünfte in Bad Boll oder auch Esslingen verloren. Das soll sich nun ändern.

„Mit den in jüngerer Vergangenheit eröffneten oder aktuell in Bau befindlichen Hotels kann diese Lücke voraussichtlich geschlossen werden“, so Hinrichsen. Schließlich sei die Stadt Standort zweier großer Kliniken, international tätiger Firmen und Marktführer, einer Hochschule sowie eines „touristischen Leuchtturms“ mit dem neuen Märklineum. „Im Übrigen handelt es sich ausschließlich um privatwirtschaftliche Investitionen, denen sicherlich entsprechende Markt- und Nachfrageanalysen zugrunde lagen“, ergänzt der Pressesprecher der Stadt. Trotz aller Möglichkeiten von Online-Tagungen dürfte es für in Präsenz abgehaltene „größere bis große“ Konferenzen und Messen auch künftig eine hohe Nachfrage geben, glaubt er. Und: „Der Städtetourismus dürfte ebenfalls an Bedeutung gewinnen“, so Hinrichsen. Mit den „bewährten und den neuen Hotels“ könne Göppingen seine Position in der Region Stuttgart stärken, auch dank der VVS-Vollintegration und der Anbindung durch den Metropol-Express: „Die Beschränkungen während der Corona-Pandemie dürften ab Spätsommer von einem starken Nachholbedarf abgelöst werden.“