Hat Stuttgart mittelfristig zu wenig Hotelbetten, oder reicht das bestehende Angebot. Eine aktuelle Studie sieht noch Luft nach oben, der Hotel- und Gaststättenverband ist skeptisch.

Wie sich die Zeiten geändert haben. Als Anfang der 90er Jahre das Maritim in Stuttgart eröffnete, kämpfte das Beherbergungsgewerbe mit einer Bettenbelegung von 32 Prozent, erinnert sich Markus Hofherr, Vorsitzender der Kreisstelle Stuttgart des Hotelund Gaststättenverbandes DEHOGA. Aktuell liegt die Bettenbelegung bei über 50 Prozent, so die Studie „Trend Hotelmarkt 2016“ von Dr. Lübke & Kelber, einem auf Immobilieninvestitionen spezialisierten Asset Manager und Transaktionsberater.

 

Die Wirtschaft brummt und das spürt auch das Stuttgarter Beherbergungsgewerbe. Im ersten Quartal 2016 wurden bereits rund 803.000 Übernachtungen gezählt, was 3,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum entspricht. Für dieses Jahr rechnet die Branche mit einem erneuten Anstieg der Übernachtungszahlen um circa 3,7 Prozent auf rund 3,7 Millionen Übernachtungen.

Zwar belegt Stuttgart unter den Top-10-Hotelstandorten gemessen am Übernachtungsaufkommen neben Berlin, München oder Hamburg nur einen achten Platz, dennoch sieht das Beratungsunternehmen weiterhin Potenzial für neue Hotelprojekte in der Landeshauptstadt. Gestützt wird diese Annahme darauf, dass trotz der rund 850 neu auf den Stuttgarter Hotelmarkt kommenden Betten in diesem Jahr der Nachfrageüberhang von 21 Prozentpunkten bestehen bleibt, weil im gleichen Zeitraum die Nachfrage nochmals um 3,7 Prozent zunehmen werde, prognostiziert Daniela M. Bense, Project Manager Hotel bei Dr. Lübke & Kelber.

Die Platzierung überrascht Markus Hofherr nicht wirklich. Alle Städte verzeichneten derzeit gleichermaßen Wachstum. Ende 2015 zählte Stuttgart laut Statistischem Landesamt rund 19.080 Betten im gesamten Beherbergungsgewerbe der Stadt. 1980 waren es noch 8000. „Wir erleben seit dem Jahr 2010 einen Übernachtungs-Rekord nach dem anderen“, sagt der Hotelmanager. „Der Hotelmarkt Stuttgart ist nach wie vor höchst attraktiv für Betreiber und Investoren, wenn sich der positive Trend fortsetzt“, glaubt deshalb auch Daniela M. Bense.

Markus Hofherr ist da nicht ganz so optimistisch. „Die Erfahrung der zurückliegenden Jahrzehnte hat gezeigt, dass es auch nach unten gehen kann. Keiner weiß, ob der Automobil-Standort Stuttgart auch in zehn Jahren noch den Stellenwert haben werde wie heute. Denn die tragende Säule der Übernachtungsnachfrage in Stuttgart ist nach wie vor mit rund zwei Drittel vor allem der Geschäftsreisende. Derzeit herrsche zwar „Goldgräberstimmung“ bei den Investoren, den Betreibern der Hotels mache aber zunehmend der Fachkräftemangel Sorgen. Mittlerweile habe rund 70 Prozent des zwischen 2010 und 2015 eingestellten Personals im Beherbergungsgewerbe einen ausländischen Hintergrund, jeder zehnte Mitarbeiter sei ein anerkannter Flüchtling.

Ein weiterer Wachstumstreiber ist laut Dr. Lübke & Kelber die Expansion des Messestandorts. Vor allem neue Fachmessen würden die Nachfrage steigern. Dem gegenüber sei die Tourismusintensität der sechstgrößten Stadt in der Studie noch vergleichsweise gering. Die Landeshauptstadt habe aber längst erkannt, dass sie die starke Abhängigkeit vom Geschäftsreise-Segment nur durch den Ausbau des touristischen Angebots, das vor allem Freizeit- und Privatreisende anspricht, kompensieren könne, so Daniela M. Bense.

Im Video unter https://youtu.be/0VzXuNH45is spricht Markus Hofherr über Luxushotels, Fachkräftemangel und, warum er bei der Forderung nach weiteren Hotels skeptisch ist.