Eine Frau will in einem Stuttgarter Hotel übernachten, kann mit ihrem Rollstuhl aber die Zugangstreppen nicht überwinden. Es kommt zum Streit und zur Frustration auf beiden Seiten. Folgen eines Missverständnisses?

Stuttgart - Es war Mitte Dezember, kalt und dunkel, als Magi Abdelghany nach langer Anreise vor ihrem gebuchten Hotel ankam. Zwei Nächte wollte die 32-jährige Dozentin und promovierte Germanistin bleiben. „Da ich mit dem E-Rollstuhl unterwegs bin, musste ich darauf achten, dass ich in einem behindertenfreundlichen Hotel absteige“, sagt sie, dementsprechend hätte sie bei einem Buchungsportal das Suchkriterium „barrierefrei“ angekreuzt und eine Empfehlung für das Hotel im Süden Stuttgarts bekommen. „Im Zimmer selbst“, sagt sie, „kann ich mich ohne Rollstuhl bewegen, das muss nicht behindertengerecht sein.“

 

Barriere vorm Hoteleingang

Von absteigen war an diesem Dezemberabend erst mal nicht die Rede. Am Hoteleingang hat es Treppen, die Magi Abdelghany nicht überwinden konnte. Also rief sie im Hotel an und bat um Einlass, was nur über einen kleinen Lastenaufzug auf der Rückseite des Gebäudes möglich war. Diesen, so der Portier, dürfe sie aber nur nutzen, wenn sie auch das barrierefreie Zimmer gebucht habe, denn der Hub-Lift führe nur in dieses Zimmer.

Der Hotelier bestätigt den abendlichen Disput, führt ihn aber auf das Auftreten der Dame zurück. „Nach langen Diskussionen durfte ich rein, er bot mir an, auf das behindertengerechte Zimmer umzubuchen, für 100 Euro mehr. Ich habe abgelehnt und meine Buchung storniert, was 79 Euro kostete“, sagt die Ägypterin. Der Hotelier führt „Sicherheitsgründe“ an: Nur das barrierefreie Zimmer hätte im Notfall einen direkten Ausgang zum Hub-Lift, und die Standardzimmer und Gänge seien von den Grundrissen und der Möblierung her nicht für Rollstühle geeignet.

„So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Magi Abdelghany, beschwerte sich beim Buchungsportal und erhielt 20 Euro erstattet. Dass das Hotel überhaupt als behindertengerecht dargestellt worden sei, führt der Hotelier auf eine Eigenmächtigkeit des Buchungsportals zurück. Es scheint, als sei dies inzwischen geändert worden: Setzt man im Filter bei „behindertenfreundlich“ ein Häkchen, taucht der Name des Hotels nicht mehr in der Liste des Online-Portals auf. Wer über Google sucht, landet allerdings immer noch einen Treffer. Eine Rückerstattung des Stornobetrags lehnt der Hotelier kategorisch ab.

Diskrepanz in der Darstellung

Diskrepanzen zwischen Beschreibungen auf Buchungsportalen und den tatsächlichen Verhältnissen seien keine Seltenheit, sagt Daniel Ohl, der Pressesprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga). „Die Quelle der Missverständnisse ist die oft fehlende Präzision der Angaben.“ Klarheit schaffe zwar das Siegel für zertifizierte barrierefreie Betriebe, allerdings seien die Anforderungen dafür so hoch, dass nur wenige Hotels diesen Weg gingen. Für Stuttgart nennt Ohl gerade mal zwei, für ganz Baden-Württemberg 46 Hotels mit diesem Zertifikat. Den Gästen empfiehlt Ohl, sich die Homepages der Betriebe anzusehen, „dort sind die Darstellungen umfassender“, und im Zweifel telefonisch zu reservieren – „der direkte Weg ist immer gut“.

Die Landeshauptstadt Stuttgart erstellt zurzeit einen Online-Stadtführer mit Informationen für Menschen mit Behinderung und solche, die mit Gehhilfen, Rollator, Blindenstock oder Kinderwagen in der Stadt unterwegs sind. Er informiert über die Zugänglichkeit von Standorten verschiedener Branchen, von Ämtern und Behörden bis hin zu Infos über WCs. „Auch Hotels und Restaurants werden berücksichtigt sein“, teilt Stuttgarts Behindertenbeauftragte Simone Fischer mit. Die Branchen und Standorte im Stadtgebiet sollen schrittweise erhoben und fortlaufend eingepflegt werden.