Das Konzert von Human Abfall in Schorndorf ist ein Kommentar zum zweiten deutschen Coronaherbst. Dafür braucht die Band nicht mal neue Songs.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Natürlich hält hier jeder Abstand. Trägt Maske, ist geimpft, eingecheckt. Vielleicht nicht zusätzlich getestet, aber diese Regel kommt ja erst noch. Jedenfalls halten sich in der Manufaktur Schorndorf am Samstag alle an alles, was vorgeschrieben ist, um Human Abfall zu sehen. Trotzdem, vielleicht auch deswegen, herrscht Endzeitstimmung. Das Konzert findet statt – wie viele noch im zweiten deutschen Corona-Herbst?

 

Sich allein auf die Musik zu konzentrieren, geht quasi nicht bei dem einstündigen Auftritt in klinisch reiner Atmosphäre – einst trat die Band im überfüllten Konzertwaggon am Nordbahnhof auf, heute völlig undenkbar. Und so wirken die Stücke von damals im unterkühlten Rahmen des Corona-Regelwerks; Neues präsentiert die Band nicht. Doch die alten Songs, hoch konzentriert und mit bekannter Dringlichkeit vorgetragen, entfalten in diesem Kontext Kraft, als perfekt passender Kommentar zur Zeit.

Der Elefant im Raum

„Denken lernen?!“ zum Beispiel, erschienen im Frühjahr 2016: ein Song über Verschwörungstheorien. Als er geschrieben wurde, belächelte man noch Aluhutträger, die über Chemtrails schwadronierten. Seither kamen der Brexit, Donald Trump und allerlei Schiefdenker über die Welt, deren vermeintlich kritische Haltung der Song als „Individualismus bis zum Ersticken“ entlarvt. Die Analyse ist nicht nur bestechend, Flavio Bacon brüllt sie mit ausufernder Gestik im charakteristischen Kasernenton hinaus.

Leider geht dabei keinem Ungeimpften ein Licht auf, diese Gruppe darf ja nicht rein. Vor allem sorgt sie dafür, dass vielleicht bald auch niemand sonst mehr Konzerte hören kann. Wegen der Pandemie werden etliche Gigs schon wieder verschoben oder abgesagt, hierzulande jedenfalls. Das ist der Elefant im Raum. Er senkt die Laune gewaltig.

Human Abfall können ihr Konzert spielen, es ist das letzte einer Mini-Baden-Württemberg-Tour. Im PR-Text heißt es, die Texte seien von Dadaismus und Kritischer Theorie geprägt. Was in besseren Zeiten auf manchen Betrachter wie eine vergnügliche Performance gewirkt haben mag, war schon immer die sehr greifbare Darstellung einer absurd gewordenen Welt. So verwundert nicht, dass die Zugabe (wie schon beim Manufaktur-Konzert im Oktober 2020 ) den Sargnagel der Kultur auf den Kopf trifft: „Abgesagt!“