Die Stuttgarter Band Human Abfall spielt im Schocken vor 200 Zuschauern ein beeindruckendes Konzert - und schafft es, sich kurz zu halten. Unsere Autorin versucht das auch mal.

Stuttgart - Sich kurz zu fassen ist eine Kunst. Im Journalismus, im Alltag. Und vor allem bei Twitter: 140 Zeichen! Flavio Bacon, Sänger der Stuttgarter Band Human Abfall, ist ein Meister darin, sich kurz zu fassen. Auch wenn er eher 140 Wörter braucht, um mit seiner Sprache Bilder zu malen, von denen deutsche Singer-Songwriter nur träumen können. "Eine ganze Woche lang habe ich nur gekocht und gespült", heiß es beispielsweise im Song "Wir hatten so viele Pläne". Verzerrte Wahrnehmung?

 

Am Donnerstagabend im Stuttgarter Club Schocken vor gut 200 Zuschauern verzerren und verdrehen Human Abfall so einiges - im Positiven. Nicht die Bandmitglieder Bronko Schwarz, Fabian Drung und Ringo Stelzl bilden wie bei Bands gewöhnlich den Boden des musikalischen Klanggerüsts, sondern Frontmann Bacon. Durchgehend spricht, schreit und kratzt der 36-Jährige seine zwei bis drei Sätze pro Song, die er wiederholt und betont. Dazu steht er wie ein Roboter auf der Bühne, dreht sich abwechselnd nach links und rechts und blickt mit offenem Mund die Zuschauer an.

Im psychedelischen Sog

Schwarz, Drung und Stelzl spielen sich währendessen in Rage, treiben sich gegenseitig voran und lassen Töne fließen. Das ist mal Postpunk, mal New Wave. So starr Bacon ist, so agil spielt das Trio. Erkennt man in den Stücken der Band einen Refrain, so ist es gewiss das instrumentale Gespiele. Gitarre und Bass, das lodernde Trommeln sowie Bacons Verse versetzen den Zuhörer in eine Art psychedelischen Sog, bei dem man sich irgendwann fragt: Läuft der Song nun noch? Warum spielt die Band schnelle Sequenzen, wenn die Musker sich plötzlich langsamer bewegen?

200 Zuschauer starren und nicken derweil. Vom Bühnenrand bis zu Bar. Sie passen sich dem Rhythmus an und sprechen Bacon nach, der bildhaft noch immer in der Küche steht und sagt: "Bring mich zurück ans Ufer..."

13 Songs sind auf ihrer neuen Platte "Form & Zweck" enthalten, die nach dem 2015 erschienen Debüt "Tanztee von Unten" erneut von Kritikern in den Himmel gelobt wurde und auch live funktioniert. In Hamburg und Berlin haben sie auf ihrer aktuellen Tour schon Halt gemacht - Stuttgart gehört zu den letzten Stopps.

Bacon, den wir bereits vor der Albumproduktion zum Interview trafen, ist zufrieden. Es klingt, wie es klingt. "Es ist, wie es ist." Seine gesellschaftskritischen Texte hat er behalten und die Musik entwickelt sich, wie sie soll. Bei Twitter hätten wir für diesen Text längst die vorgegebene Zeichenanzahl von 140 überschritten. Beim nächsten Mal schaffen wir's.

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