Die politische Diskussion um Einreisebestimmungen für Erdbebenopfer nimmt Fahrt auf. Die Türkische Gemeinde in Deutschland fordert die Bundesregierung auf, humanitäre Hilfe über Bürokratie zu stellen.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Die Türkische Gemeinde in Deutschland, eine Interessenvertretung türkischstämmiger Deutscher und hier lebender Türken, hat sich hinter die Forderung von Baden-Württembergs Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nach einer Lockerung der Visabestimmungen für Erdbebenopfer gestellt, um zu ermöglichen, dass sie vorübergehend bei Angehörigen in Deutschland unterkommen können. „Wir fordern eine erleichterte Visumspflicht für Menschen aus den türkisch-syrischen Erdbebengebieten“, erklärte Aslıhan Yeşilkaya-Yurtbay, einer der beiden Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde am Freitag: „Visaerleichterungen kosten den Staat kein Geld. Sie nehmen den Ämtern hierzulande vielmehr eine riesige Last von den Schultern, die anderenfalls schnell mit den vielen Anträgen und Fragen überfordert wären.“

 

Unverständnis über die Argumentation der Bundesregierung

Yeşilkaya-Yurtbay betonte, es könne unmöglich die Antwort der Bundesregierung sein, dass die betroffenen Menschen Pässe, Tickets und finanzielle Mittel nachweisen sollen, wenn sie gerade alles verloren hätten oder ihre Wohnungen und Häuser nicht mehr betreten könnten. „In dieser Zeit müssen Pragmatismus und humanitäre Hilfe über Bürokratie stehen.“ Für Verwandte und Freunde von Erdbebenopfern sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass sie die Nachweise erst in Deutschland erbringen. „Noch einfacher wäre es, die Nachweise auf ein Minimum zu reduzieren.“

Das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium hatten zuvor erklärt, türkische und syrische Staatsangehörige bräuchten auch in dieser Notsituation ein gültiges Visum, wenn sie nach Deutschland kommen wollten. Für ein Besuchsvisum müssten sie eine Einladung vorlegen und Nachweise über die nötigen finanziellen Mittel für die Reise erbringen und eine Reisekrankenversicherung erbringen. Die Antragsteller müssten zudem ihre Absicht erklären, vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums den Schengenraum wieder zu verlassen. Dem stehen jedoch viele praktische Hindernisse im Weg.

„Gerade Menschen aus den betroffenen Gebieten in der Türkei haben oft Familie und Freunde in Deutschland, die sie aufnehmen wollen“, sagte der Stuttgarter Co-Vorsitzende Gökay Sofuoğlu. „Hier haben sie Menschen, die sie kennen und für sie sorgen.“ Die Aufnahmebereitschaft aus der türkeistämmigen Community dürfe von der Bundesregierung nicht unbeantwortet bleiben. „Wir müssen diese Möglichkeit für die nächsten Wochen und Monate nutzen, um den Menschen, die jetzt unsere Hilfe brauchen, mittelfristig eine Perspektive zu geben“, betonte Sofuoglu.

Bürgerstiftung Stuttgart startet lokale Erdbebenhilfe

Unterdessen hat die Bürgerstiftung Stuttgart einen Fonds für die Erdbebenhilfe eingerichtet, dessen Mittel ausschließlich für Aufgaben in Stuttgart verwendet werden sollen. Die Stiftung will damit Stuttgarterinnen und Stuttgarter finanziell in die Lage versetzen, Angehörige aus dem Krisengebiet vorübergehend bei sich aufnehmen zu können. Unterstützt werden sollen auch Bürger, die um Angehörige oder Freunde im Katastrophengebiet trauern oder den Kontakt zu ihnen verloren haben.

Das Spendenkonto lautet: Erdbeben Spendenfonds „Stuttgart hilft“, BW-Bank Stuttgart, Kontoinhaber: Bürgerstiftung Stuttgart. IBAN: DE95 6005 0101 0001 2356 78, BIC: SOLADEST600. Verwendungszweck: „Stuttgart hilft“.