Die gewaltigen Überflutungen in Texas geben einer Diskussion Auftrieb: Wie wirkt sich die Erwärmung der Erde auf die Häufigkeit von Hurrikanen aus?

Potsdam - Es regnet und regnet und regnet: In den USA versinken weite Teile von Texas und bald wohl auch von Louisiana in den Wassermassen, die der Tropensturm Harvey herabregnen lässt. Nach dem Wirbelsturm Katrina – er setzte im August 2005 New Orleans unter Wasser – und Hurrikan Sandy – er lehrte im Oktober 2012 New York das Fürchten – ist Harvey in den USA nun die dritte große Naturkatastrophe in jüngster Zeit, die von einem Hurrikan und dem sich daraus entwickelnden Tropensturm verursacht wurde. Die Frage drängt sich auf, ob diese bedrückende Reihe schlimmer Wetterkatastrophen durch die Klimaerwärmung bedingt ist.

 

Stefan Rahmstorf, Forschungsbereichsleiter Erdsystemanalyse am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor an der Universität Potsdam, fasst den Stand der Wissenschaft in einer Stellungnahme so zusammen: „Der Sturm Harvey wurde nicht durch den Klimawandel verursacht, aber seine Auswirkungen – die Sturmflut und vor allem die extremen Regenmengen – wurden sehr wahrscheinlich durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung verschlimmert.“

Es ist also nach derzeitigem Kenntnisstand nicht so, dass der Klimawandel mehr Wirbelstürme verursacht. Diese Prognose hatten die Klimaexperten Greg Holland und Peter Webster vom amerikanischen Zentrum für Atmosphärenforschung im Jahr 2007 gezogen, als sie nach Katrina das Hurrikan-Geschehen genauer untersuchten. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die Nordatlantikregion 2005 einen Sturmrekord erlebte mit 14 Hurrikanen – drei davon in der höchsten Kategorie fünf und zwei Kategorie-4-Wirbelstürme. Insgesamt hätte sich die Zahl tropischer Wirbelstürme über dem Atlantik im Zeitraum zwischen 1900 und 2005 mehr als verdoppelt, so lautete damals das Ergebnis der Studie.

Die ohnehin starken Wirbelstürme werden noch heftiger

Der Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. Vor allem wurde angemerkt, dass sich die Art und Weise, wie Hurrikane erfasst und gemessen werden, seit 1900 geändert habe und Vergleiche daher nur eingeschränkt möglich seien. Zudem zeigten Untersuchungen, dass seit etwa 1970, dem Beginn der Satellitenbeobachtungen, die Zahl der tropischen Stürme und Hurrikane im Atlantik zwar zugenommen hat, in anderen Meeren ein solcher eindeutiger Trend jedoch nicht zu erkennen ist.

Recht offensichtlich ist dagegen eine Entwicklung, die einen Zusammenhang mit dem Klimawandel nahelegt – und die große Sorge bereitet: Offenbar hat überall in der Welt der Trend zu starken tropischen Wirbelstürmen zugenommen. Verstärkt hat sich auch die Entwicklung, dass die ohnehin starken Wirbelstürme noch heftiger werden.

Rahmstorf weist in diesem Zusammenhang auf den Supertaifun Haiyan hin, den stärkste Tropensturm, der seit Beginn der Aufzeichnungen auf Land traf. 2013 hatte er in mehreren asiatischen Ländern schwere Schäden verursacht, besonders auf den Philippinen. „Japanische Forscher zeigten danach mit detaillierten Simulationsrechnungen, dass dieser Sturm durch die globale Erwärmung etwa zehn Prozent stärkere Windböen und eine um rund 60 Zentimeter höhere Sturmflut verursachte“, berichtet Rahmstorf. Der klimabedingte Anstieg des Meeresspiegels sei dabei noch nicht einmal berücksichtigt worden. Dieser verschlimmert überall auf der Erde das Ausmaß und die Folgen von Sturmfluten.

Das Nordpol-Gebiet erwärmt sich besonders stark

Die Zunahme von extremen Niederschlägen, wie sie auch in anderen Regionen der Welt zu beobachten sind, ist wiederum die Folge einer altbekannten physikalischen Tatsache: Je wärmer die Luft ist, desto mehr Wasserdampf kann sie aufnehmen. Die sogenannte Clausius-Clapeyron-Gleichung fasst diesen Zusammenhang in Zahlen: Bei der Erwärmung um ein Grad Celsius kann die untere Atmosphäre je nach Temperatur sechs bis acht Prozent mehr Wasserdampf in der Luft halten. Stefan Rahmstorf kommentiert dies so: „Eine weltweite Zunahme von Rekordwerten bei den Tagesniederschlägen wurde in einer PIK-Studie nachgewiesen, und dieses Problem wird weiter zunehmen, wenn wir die globale Erwärmung durch den Ausstoß von Treibhausgasen weiter vorantreiben.“

Über diesen vergleichsweise einfachen Zusammenhang hinaus gibt es weitere Hinweise, dass die Klimaerwärmung die Entstehung und die Wege von Wirbelstürmen beeinflusst. So könnten sich die Verhältnisse in der Atmosphäre ändern, von denen zum Beispiel der Jetstream betroffen ist. Gerade bei Harvey könnte dies der Fall gewesen sein, der ja deswegen besonders schlimm ist, weil er sich als Tropensturm über viele Tage hinweg kaum bewegte und seine Regenmassen auf eine eng umgrenzte Region niederprasselten.

Die Hurrikan-Saison dauert noch bis November

Diese möglichen Veränderungen in der Atmosphäre hängen damit zusammen, dass sich das Nordpolgebiet besonders stark erwärmt. Damit bleiben die Wettersysteme auf der Nordhalbkugel – und damit auch in den USA – länger an einem Ort. Bei Harvey blockieren zum Beispiel zwei Hochdrucksysteme hartnäckig den Weg des Tropensturms nach Norden. Zudem könnten diese Veränderungen Einfluss auf die Rotation der Wirbelstürme haben, die sich dem amerikanischen Festland nähern. Experten wie Rahmstorf betont allerdings, dass dieser Zusammenhang zwar noch wenig gesichert, aber wahrscheinlich ebenfalls relevant sein könnte.

Die wissenschaftliche Diskussion über die Zusammenhänge von Klimaerwärmung und Wirbelstürmen ist mithin voll im Gange – wobei erschwerend hinzu kommt, dass in jüngster Zeit auch noch ein starkes El-Niño-Ereignis kräftig im globalen Wettergeschehen mitgemischt hat. Tatsache ist allerdings, dass laut der US-Wetterbehörde NOAA 2016 insgesamt 94 tropische Wirbelstürme gezählt wurden – elf mehr als im Durchschnitt der Jahre 1981 bis 2010.

Auch 2017 zeichnet sich eine überdurchschnittlich starke Hurrikansaison ab. Bereits im Mai meldete NOAA, dass sich wohl ungewöhnlich viele Wirbelstürme über dem Atlantik zusammenbrauen würden. Anfang August hatte sich dieser Trend erhärtet, auch die Zahl der möglichen Stürme wurde erhöht. Damals ging die Prognose von fünf bis neun Hurrikanen aus, zwei bis fünf davon besonders stark. Die bisherigen Zahlen geben den NOAA-Experten recht. Harvey zeigt zudem, dass die Folgen bereits Ende August verheerend sind – und die Saison dauert noch bis November.

Tropische Wirbelstürme

Entstehung: Wirbelstürme – englisch auch Tropical Cyclones genannt – sind Tiefdruckgebiete, die in den Tropen über Meeren entstehen. Die wichtigste Voraussetzung ist eine Wassertemperatur von mindestens 26 Grad bis in eine Tiefe von 50 Meter. Hinzu kommen weitere atmosphärische Randbedingungen, etwa bestimmte Luftdruckwellen.

Bezeichnung:
In Amerika wird ein Wirbelsturm Hurrikan genannt, in Ostasien Taifun, im Indischen Ozean und im Südpazifik Zyklon.

Gewalt:
Je nach Windgeschwindigkeit wird ein Wirbelsturm in die Kategorie eins bis fünf eingeteilt. Sobald der Wirbelsturm an Land kommt, verringert sich die Intensität, weil weniger Energie in Form von Wasserdampf zugeführt wird. Aber es regnet heftig.