Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Autobauern in den vergangene Wochen pauschal Betrug vorgeworfen. Bei der Eröffnung der Automesse IAA hat sie den Vorwurf abgeschwächt.

Stuttgart - Nachdem die Bundeskanzlerin sich in den vergangenen Wochen wegen „unverzeihlichen Fehlern“ der PS-Branche empört und entsetzt gezeigt hatte, fiel der Rüffel bei der Eröffnung der Automesse IAA nicht mehr ganz so scharf aus. In den vergangenen Wochen hatte sie den Autobauern mehrfach vorgeworfen, dass sie betrogen hätten. In einem Interview kritisierte sie, dass die Abgassysteme nur in einem ganz schmalen Temperaturbereich und nur unter ganz bestimmten Fahrbedingungen ihre Wirkung entfalten. Mit dem Software-Update, so die Kanzlerin, werde dies nun behoben. Die meisten Autobauer, die mit einem Software-Update den Schadstoffausstoß nun deutlich senken wollen, haben indes nicht betrogen, was juristisch eine Straftat wäre. Angela Merkel ist mit ihrer pauschalen Schelte über das Ziel hinausgeschossen und hat damit von Fehlern der Politik abgelenkt.

 

Politik hat wirklichkeitsfremde Abgaswerte toleriert

Bisher zählten allein die auf dem Prüfstand erreichten Werte für die Einhaltung der Grenzwerte. Und dies, obwohl die Prüfbedingungen völlig wirklichkeitsfremd waren. Die Politik sah jedoch viele Jahre weg und kümmerte sich nicht besonders darum, ob sich alle Autobauer auch wirklich an das Gesetz halten. Erst als US-Behörden bei VW hartnäckig blieben und der Autobauer vor zwei Jahren gestand, dass kriminell manipuliert wurde, ließ das Verkehrsministerium Autos auch hierzulande unter die Lupe nehmen. Dabei wurden nur beim VW-Konzern verbotene Abschalteinrichtungen entdeckt. Es gab aber auch Fälle, in denen rechtliche Grenzen arg strapaziert wurden. Bei Daimler ermittelt deshalb die Staatsanwaltschaft – bisher ohne Ergebnis.

VW-Fahrer bleiben auf ihrem Schaden sitzen

Bei der Eröffnung der IAA ist Merkel nun zurückgerudert und hat nicht mehr von Betrug, sondern von exzessiv ausgenutzten Regulierungslücken gesprochen. Die Politik hätte diese Lücken jedoch erst gar nicht zulassen dürfen. Zudem hätte sie dafür sorgen müssen, dass die Autobauer hier genauso scharf kontrolliert werden wie in Amerika. Die Bundesregierung hat es auch nicht geschafft, den Verbrauchern – ähnlich wie in den USA – die Möglichkeit der Musterklage zu eröffnen. Gemeinsam hätten VW-Fahrer bessere Chancen, einen Schadenersatz durchzusetzen. Das von dem Sozialdemokraten Heiko Maas geführte Justizministerium hat zwar einen Gesetzentwurf vorgelegt, die CDU-Kanzlerin kritisierte ihn im Wahlkampf aber als zu bürokratisch. Die VW-Fahrer dürften keine Freude an diesem Schwarzer-Peter-Spiel zwischen SPD und CDU haben. Sie bleiben auf ihrem Schaden sitzen.