Der Bezirksbeirat stimmt denkbar knapp gegen die vorgesehene Schaffung eines neuen Stadtteils auf dem Gelände der ehemaligen IBM-Zentrale.

Vaihingen - Bei einem Vorhaben von solcher Bedeutung ließ es sich der Baubürgermeister Peter Pätzold nicht nehmen, die Pläne persönlich im Bezirksbeirat vorzustellen. Und außer ihm war auch fast die komplette Riege der Vaihinger Betreuungsstadträte vor Ort. Schließlich geht es beim Thema Eiermann-Campus um nichts Geringeres als die Schaffung eines neuen Stadtteils, mitten im Wald und im Zwickel von A 8 und A 831. Die Vaihinger Lokalpolitiker wiederum blieben ihrer Linie treu und lehnten die Pläne ab, wie sie es schon viele Male zuvor getan haben. Doch ihre Rolle ist eine beratende; der Gemeinderat und die Rathausspitze stehen hinter dem Projekt. Und so dürfte das Verfahren, an dessen Ende die Bebauung des riesigen Areals, das einst die inzwischen denkmalgeschützte IBM-Zentrale beheimatete, weiter voranschreiten.

 

Konkret ging es in der Sitzung am Dienstag um den sogenannten Aufstellungsbeschluss. Der ist, vereinfacht gesagt, der erste Schritt, um Baurecht zu schaffen, legt aber noch nicht fest, wie denn tatsächlich gebaut werden darf. Erste Entwürfe gibt es zwar, seit ein Kolloquium im Jahr 2013 tagte. „Das ist aber nur ein grobes Flächenlayout. Das entspricht nicht unseren Erwartungen“, sagte Pätzold. In den Grundzügen geht es aber darum, die vier zwischen 1969 und 1972 vom damaligen Stararchitekten Egon Eiermann errichteten Gebäude zu sanieren und nicht abzureißen und dafür eine Nachverdichtung auf den Parkplätzen zu erlauben. Letztlich könnten dort Büros, Forschungseinrichtungen und Wohnungen gebaut werden.

Der Eiermann-Campus heißt jetzt Garden Campus

Seit sieben Jahren stehen die Gebäude leer und verrotten langsam. Erst hatte sich ein Investor verhoben, dann fanden die Insolvenzverwalter und Gläubiger keine neuen Käufer. Als wohl größter Stolperstein erwies sich der Denkmalschutz. Deshalb kam die Stadt 2013 auf die Idee, das Areal den Geldgebern per Nachverdichtung schmackhaft zu machen.

Auch danach wurde die Fläche wie sauer Bier angeboten, bis sich mit der Gerch-Group von Matthias Düsterdick Ende 2015 endlich ein Käufer fand. Der nahm die drei Jahre alten Pläne und versah sie mit dem Namen „Garden Campus Vaihingen“ – mit dem Ziel, dort eine sogenannte Smart City zu bauen.

„Wir haben im Bezirksbeirat oft über den Eiermann-Campus diskutiert und das fraktionsübergreifend abgelehnt“, sagte Volker Schweizer von den Grünen. „Und wo ist nun der Unterschied zu dem, was wir abgelehnt haben?“ Nach wie vor glaube er nicht, dass der Investor den Denkmalschutz respektieren werde. „Es gibt schon jetzt 17 Untergesellschaften, und von denen kann schon mal jemand insolvent gehen“, sagte Schweizer. Zudem bemängelte er das Fehlen eines Verkehrskonzepts; schließlich entsteht dort nach früheren Schätzungen ein Quartier für 4000 Menschen.

Am 30. April soll es einen Tag der offenen Tür geben

Vor allem beim Thema Verkehr blies Gerhard Wick von der Fraktionsgemeinschaft SÖS-Linke-Plus ins selbe Horn. „Ich halte es für dreist zu sagen, das machen wir im Verlauf des Verfahrens.“ Kritik kam auch von den anderen Parteien. „Ich bin grundsätzlich gegen Denkverbote, um Entwicklungschancen zu sehen. Aber die sehe ich hier nicht“, sagte Volker Weil von der FDP. „Herr Düsterdick hat bei der Villa Berg verbrannte Erde hinterlassen“, sagte Ulrich Bayer von der CDU. Die Stadt hatte das Kleinod im vergangenen Jahr von der Düsterdickschen PDI gekauft, um es vor dem sicheren Verfall zu bewahren.

Pätzold stellte eine umfassende Bürgerbeteiligung in Aussicht. Den Auftakt soll ein Tag der offenen Tür am Samstag, 30. April, machen. Anschließend soll es eine öffentliche Infoveranstaltung geben, in der die bisherigen Kolloquiums-Entwürfe und zum Beispiel die Verkehrsproblematik vorgestellt werden. 15 Architekturbüros sollen städtebaulichen Ideen entwickeln, von denen dann die besten fünf im Rahmen eines Workshops vorgestellt werden. „Wir wollen konkret über diese mit den Bürgern diskutieren“, sagte Pätzold. Entsprechend sollen die Architektenentwürfe dann überarbeitet werden, ehe ein Preisgericht den Sieger kürt. Dieser Entwurf soll dann als Grundlage für den neu aufzustellenden Bebauungsplan dienen.

Räte wollen sich trotz Ablehnung künftig beteiligen

Wie lang dies dauern werde, konnte Pätzold nicht sagen. „Wir sind in Abstimmung mit dem Investor“, sagte der Baubürgermeister. Dieser drücke aufs Tempo, aber die Stadt will sich nicht drängen lassen. „Wir wollen eine ordentliche Qualität haben.“

Die Lokalpolitiker lehnten das Vorhaben dennoch ab – und zwar denkbar knapp. Bei Stimmengleichheit von sieben zu sieben bei einer Enthaltung fiel der Aufstellungsbeschluss durch. Der gemeinderätliche Umwelt- und Technikausschuss wird ihn aber voraussichtlich dennoch beschließen – und zwar am 19. April.

Für diesen Fall haben sich die Mitglieder des Bezirksbeirats in Stellung gebracht und eine Reihe von eigenen Anträgen verfasst. So soll die Stadt nicht nur eine Verkehrsplanung für ganz Vaihingen vorantreiben, sondern auch einen direkten Anschluss des Eiermann-Areals an die Autobahn prüfen. Zudem wünschen die Lokalpolitiker, dass zwei aus ihren Reihen Mitglieder im Preisgericht werden.