Der Rap-Musiker Ice Cube (46) bereut es nicht, in seiner Jugend Lieder wie „Fuck tha Police“ geschrieben zu haben. Ein Interview anlässlich des Films „Straight Outta Compton“.

Stuttgart - Ice Cube alias O’Shea Jackson hat schon mit 15 Jahren zu rappen begonnen. Damals lernte er auch seinen Kumpel Dr. Dre kennen. Gemeinsam mit weiteren Freunden gründeten sie 1986 die höchst erfolgreiche Hip-Hop-Gruppe N.W.A. Der diese Woche auch in Deutschland angelaufene Kinofilm „Straight Outta Compton“ erzählt die Erfolgsstory dieser Handvoll junger schwarzer Männer, die mit ihrer Musik Geschichte schrieben. Wir trafen den 46-Jährigen zum Interview.
Mr. Cube, Gratulation zum großen Erfolg von „Straight Outta Compton“ in den USA, wo der Film in nur zwei Wochen schon weit über 100 Millionen Dollar eingespielt hat.
Dankeschön. Ich bin ehrlich gesagt immer noch ein bisschen verblüfft, wie unser Film angenommen wird. Fast jeder mag ihn, was für mich ein ziemlich ungewöhnliches und tolles Gefühl ist. Normalerweise mögen ja entweder die Fans einen Film oder die Kritiker. Deswegen ist das jetzt etwas ganz Neues.
Einen Film über Ihr Leben und vor allem die Zeit mit Ihrer Rap-Gruppe N.W.A. zu drehen – war das Ihre Idee?
Ganz genau. Mir kam sie schon vor 15 Jahren. Damals fing ich an, auch selbst Filme zu produzieren. Je mehr ich Erfahrungen sammelte, wie man ein Kino-Projekt auf die Beine und ein wirklich gutes Team zusammenstellt, desto überzeugter war ich davon, dass ein solches Biopic (Filmbiografie, die Red.) gelingen könnte. Also begann ich mit der Planung, aber es dauerte dann insgesamt doch noch mal fast zehn Jahre, bis die Vision Wirklichkeit wurde.
Sie selbst werden im Film von Ihrem eigenen Sohn O’Shea Jackson Jr. gespielt. War das von Anfang an ausgemachte Sache?
Im Gegenteil. Also nicht dass ich Zweifel gehabt hätte. Ich wusste, dass er das packen würde, selbst wenn das sein erster Film ist. Schon seit er zwei Jahre alt war, habe ich ihn immer wieder mit auf die Bühne genommen, und für mich war sein Talent als Entertainer und Rapper nie zu übersehen. Aber natürlich musste er dann auch beweisen, dass er vor der Kamera überzeugen kann. Was ihm dann zur Freude seines stolzen Papas auch zu hundert Prozent gelungen ist. Er hat unserer Familie ein Denkmal gesetzt, das uns alle überdauern wird.
„Fuck Tha Police“, einer der bekanntesten N.W.A.-Songs, sorgte Ende der achtziger Jahre für einen riesigen Skandal. Welche Relevanz hat der Song heute noch?
Eigentlich noch die gleiche wie damals, finde ich. Er ist ein Aufschrei. Wie jeder Songtext beinhaltete auch dieser fiktive Elemente, er entsprang schließlich meiner Fantasie. Aber vieles, worum es da ging, war die reine, bittere Wahrheit. Sind manche Umstände auf der Straße heute anders? Klar. Allerdings längst nicht alle. Das ist ein Song, der als Ventil dient für die Frustration angesichts der Polizei und anderer Autoritäten. Seine Wirkung ist genauso heftig wie die eines Molotowcocktails oder einer Pistolenkugel. Nur dass eben kein Blut vergossen wird.
Das FBI schickte ein Schreiben, in dem mit Konsequenzen gedroht wurde . . .
Ja, man wollte uns einschüchtern, damit wir den Song nicht mehr bei Konzerten spielen und ihn nicht länger veröffentlichen. Mich hat das damals sehr erstaunt, dass sich eine Regierungsbehörde tatsächlich zu so einer schriftlichen Drohung hinreißen lässt. Schließlich waren wir Bürger eines freien Landes, das sich noch dazu die Rede- und Meinungsfreiheit in den ersten Paragrafen der Verfassung geschrieben hat. Ich fand das empörend.
Bereuen Sie den Song?
Absolut nicht. All diese Songs sind kleine Zeitkapseln: sie halten den Moment fest, in dem sie geschrieben wurden, mit allen Gefühlen und Gedanken, die wir damals hatten. Ohne Frage sehe ich heute vielleicht manches anders, habe dazugelernt und bin nicht mehr unbedingt der gleiche junge zornige Rapper. Aber ich hätte null Interesse daran, die Zeit zurückzudrehen und etwas zu ändern, nur weil ich heute weiß, wen ich wie vor den Kopf gestoßen habe. Schon allein, weil es uns ja genau darum ging: die Leute vor den Kopf zu stoßen, aufzurütteln, zu provozieren. Wir waren Kämpfer, wir kämpften dagegen, als junge schwarze Männer unter Generalverdacht gestellt zu werden und der Polizeiwillkür unterworfen zu sein. Nur dass wir eben statt Gewalt und Waffen auf Musik setzten.
Allzu viel geändert hat sich anscheinend nicht . . .
Das ist in der Tat das Bittere. Unsere Gesellschaft scheint nicht allzu lernfähig zu sein, denn alles wiederholt sich immer wieder. Denken Sie an die Unruhen 1992 in Los Angeles, nachdem Polizisten den Taxifahrer Rodney King verprügelt hatten. An gleicher Stelle hatte es auch schon 1965 riesige Ausschreitungen gegeben, ebenfalls wegen Polizeigewalt.
Sehen Sie gar kein Licht am Horizont?
Ich will nicht sagen, dass sich gar nichts verbessert hat in der US-Gesellschaft. Heute werden die Polizisten, die so etwas tun, viel eher zur Rechenschaft gezogen. Das hat viel mit dem Internet, Handys und sozialen Netzwerken zu tun. Immer wieder filmt jemand solche Vorfälle, und diese Videos verbreiten sich auf Twitter und Facebook und werden weltweit in den Nachrichten gezeigt. Außerdem müssen Polizisten vielerorts Kameras an ihrer Uniform tragen, damit sich nachvollziehen lässt, was in ihrem Dienst passiert. Einige werden auch wirklich vor Gericht gestellt und bekommen den Prozess gemacht. Es hat sich also durchaus etwas getan. Aber von einem Idealzustand sind wir noch weit entfernt.
Trotzdem scheint Hip-Hop unpolitischer zu sein als früher. Wie erklären Sie sich das?
Das ist nicht schwer zu erklären. Irgendwann in den neunziger Jahren, als Hip-Hop immer mehr die US-Radiolandschaft zu dominieren begann, übernahmen die Programmdirektoren das Ruder. Gespielt wurde nur noch eine bestimmte Art von Hip-Hop, nämlich der, sich zum Tanzen im Club eignet und bei dem sich alles um Frauenhintern und heiße Partys dreht. Also fingen alle an, genau solche Songs zu schreiben und zu produzieren. Statt über Gewalt auf der Straße, rappten plötzlich alle über Joints und Schampus und solche Sachen, schließlich wollten sie ja im Radio gespielt werden und in die Charts kommen. Ich verstehe das. Aber mein Ding ist es nicht.