Mitarbeitervorschläge sorgen für Verbesserungen im Kleinen und werden honoriert. Die Offenheit müssen Chefs und Mitarbeiter aber oft erst lernen.

Eine Party feierte kürzlich Tempus-Consulting in Giengen. Doch statt schmissiger Musik, Trollinger und Rostbraten begutachteten die 30 Mitarbeiter in kleinen Gruppen gegenseitig ihre Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse. Knapp 300 Verbesserungsvorschläge sammelten sie innerhalb von einer guten Stunde. 'Manche tun sich schwer, aus der Distanz auf die eigene Arbeit zu schauen', erzählt Laura Honold, die Verantwortliche für das betriebliche Vorschlagswesen - deshalb das Event zu Jahresbeginn. Die hohe Anzahl ist beileibe kein Hinweis auf bisherige Ineffizienz des Beratungsunternehmens.

 

Bereits zweimal wurde der Deutsche Ideenpreis gewonnen, denn seit Langem gehören 13 Vorschläge jährlich pro Mitarbeiter zu den Unternehmenszielen. Es sind die vielen kleinen Schritte, die letztlich Zeit sparen, zu direkten oder ganz neuen Lösungen führen. Suchten die Tempus-Chefs beispielsweise hin und wieder nach den kleinen Transportwagen, um Seminarunterlagen zum Auto zu bringen, gibt es jetzt einen 'Bahnhof'. Das betriebliche Vorschlagswesen ist ein alter Hut: Alfred Krupp soll es 1872 in seinem Unternehmen eingeführt haben.

"Tatsächlich geht es um einen Kulturwechsel"

Doch erst kürzlich konstatierte Personalspezialist Thomas Sattelberger, dass in Deutschland Innovationsprozesse brav von oben nach unten angeordnet werden. Was eher misslingt. Stattdessen sollten Unternehmen fähigen Köpfen inspirierende Freiräume schaffen. Tempus-Geschäftsführer Jürgen Kurz findet dagegen, dass Chefs das Kapital im Kopf jedes Mitarbeiters anzapfen sollten: 'Schließlich wissen sie am allerbesten, wie ihr Arbeitsplatz funktioniert.' Bei Tempus werden drei Viertel aller Ideen umgesetzt, und davon erledigen 90 Prozent die Mitarbeiter selbst. Das schafft Freiheit für unternehmerisches Denken: Eine Auszubildende, die im Herbst mit der Arbeit begann, kam auf einem Weihnachtsmarkt mit einem Unternehmer ins Gespräch und 'tütete' in den nächsten Tagen einen Vortrag ihres Chefs für mehrere Tausend Euro ein.

'Tatsächlich geht es um einen Kulturwechsel', sagt Cornelia Spangler. Unternehmen, die konsequent auf Ideenmanagement setzen, machen Mitarbeiter vom Beobachter zum Beteiligten, die Verantwortung übernehmen und Einfluss auf ihre Arbeit sowie das Unternehmen ausüben. Chefs müssen diese Offenheit für Veränderung als Vorbild vorleben. 'Dieser Prozess dauert meist länger als ein Jahr', weiß die Spezialistin für Changemanagement. Denn statt Einbahnstraßen-Kommunikation geht es jetzt um einen Dialog. Das müssen beide Seiten erst lernen und üben. Es geht um Vertrauen - dass Mitarbeiter diese Chance, aktiv zu gestalten, ergreifen und dass Chefs Ideen und Anregungen tatsächlich umsetzen oder auch begründet ablehnen. Transparenz erleichtert die Gratwanderung zwischen Wertschätzung der Mitarbeiter einerseits und dem Antreiben zu höherer Effizienz andererseits, denn letztlich geht es für Unternehmen darum, wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten.

Weil Letzteres kein Selbstzweck sein soll, beteiligt der Obi-Markt in Öhringen seine 70 Mitarbeiter am Unternehmenserfolg. Bis zu 1500 Euro zusätzlich erhalten einfallsreiche Mitarbeiter am Ende des Jahres. Spart der Markt Geld ein, erhalten die Mitarbeiter zehn Prozent, egal um wie viel Geld es geht. So erzählt der Leiter Werner Berner, dass er bisher jährlich 3000 Euro für Papiertücher auf den Toiletten ausgegeben hat. Aufgrund eines Vorschlags hängen dort jetzt Lufttrockner. Die einmalige Investition in Geräte und Elektrik betrug 2000 Euro. Der Mitarbeiter erhielt die festgelegten 300 Euro. Wöchentlich tagt ein fünfköpfiges Gremium aus Verkauf, Logistik, Kasse und Büro sowie einem Azubi und beurteilt anhand festgelegter Kategorien die eingegangenen Vorschläge.

Mehr Gedanken über die Arbeit machen

Lediglich wenn Kosten mit einem Vorschlag verbunden sind, schaltet sich die Geschäftsführung ein und kalkuliert das Ganze durch. 'Es geht darum, dass sich die Mitarbeiter Gedanken über ihre Arbeit machen', erzählt Berner. Außerdem könne das Team so von neuen Mitarbeitern profitieren, die andere Methoden und Ideen mitbringen. Gerade weil es oft die einfachen Dinge des täglichen Geschäfts sind, verändert sich die Grundhaltung der Mitarbeiter: Dem einen fällt auf, dass die Fahnen nach einem Sturm zerrissen sind, dem anderen, dass Kunden während der Beratung mit in den PC schauen sollten.

'Alle denken kundenorientierter', findet Berner, denn manche Passanten schließen vom vernachlässigten Zustand der Fahne auf den ganzen Markt, und wer mit in den Bildschirm schauen kann, fühlt sich gleichrangig und wertgeschätzt. Oft sind es die jungen und die alten Mitarbeiter, die sich mit dem Vorschlagswesen schwertun. Während die einen nach der Schule noch nicht wissen, dass ihre Meinung gefragt ist, haben die anderen sich nach vielen Berufsjahren eingerichtet und die eine oder andere frustrierende Erfahrung gemacht. Deshalb müssen Chefs bei der Umsetzung des Ideenmanagements konsequent sein und bei diesen Mitarbeitern besonders werben. Denn es gehe auch für sie um die Chance, ihr Berufsleben aktiv zu verändern, so Spangler.

Wer sich lieber als Opfer eines Chefs sieht, wird in einem offenen Unternehmen nicht glücklich. Für Tempus-Mitarbeiter ist das Vorschlagswesen inzwischen selbstverständlich. 'Man stolpert immer wieder über etwas, das einen aufregt', erzählt Laura Honold, vor allem wenn es um Schnittstellen in der Zusammenarbeit mit Kollegen geht, denn verständlicherweise gibt es da die meisten Reibungspunkte. Auch deshalb war die Vorschlagsparty erfolgreich. Die Vorschläge werden finanziell honoriert, egal, ob der Vorschlag angenommen wurde oder nicht. Am Ende des Jahres gibt es eine Auszeichnung für das Cleverle mit den meisten Vorschlägen und den Award für den Vorschlag mit der höchsten Einsparung.