Auf den streitbaren Wissenschaftler Hans-Werner Sinn folgt als neuer Chef des Ifo-Instituts der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Clemens Fuest.

Mannheim - Einer der meinungsstärksten deutschen Ökonomen zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Hans-Werner Sinn wird im März 2016 in den Ruhestand gehen. Als Präsident des Ifo-Instituts wird ihm Clemens Fuest nachfolgen. Fuest gilt als Experte für Staatsfinanzen und ist seit 2013 Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

 

Zwei Expertenkommissionen waren mit der Suche nach einem Nachfolger für Sinn betraut. Da mit der Position des Ifo-Präsidenten auch eine Professur an der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München verbunden ist, haben Institut und Universität gemeinsam entschieden, wer in die Fußstapfen des 67-jährigen Sinn treten wird.

Diese Fußstapfen sind groß. Sinn, der seit 1999 Präsident des Ifo-Instituts ist, hat der Einrichtung zu großer wirtschaftswissenschaftlicher Bedeutung verholfen. Der monatliche Ifo-Geschäftsklimaindex ist einer der wichtigsten Indikatoren, um die Entwicklung der Konjunktur in Deutschland abzuschätzen. Zudem gilt Sinn als einer der einflussreichsten deutschen Ökonomen, der oft medienwirksam und provokant aktuelle Entwicklungen kommentiert. Zuletzt forderte er beispielsweise ein Ende der Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank und riet Griechenland zum Austritt aus dem Euro.

Sinn, Vater dreier erwachsener Kinder, hat 1978 an der Universität Mannheim promoviert und habilitierte dort 1983. Seit 1984 ist er Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Als Gastprofessor war er zudem an der London School of Economics sowie an den Universitäten Stanford, Princeton und Jerusalem tätig. Zu Sinns bekanntesten Werken gehört „Kaltstart“, dass er 1991 mit seiner Frau Gerlinde veröffentlichte. Darin analysieren die beiden Ökonomen die volkswirtschaftlichen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung. 2009 beschäftigte sich Sinn in „Kasino-Kapitalismus“ mit der Finanzkrise, sein neuestes Werk „Der Euro – von der Friedensidee zum Zankapfel“ soll diesen Herbst erscheinen. Für seine Forschung wurden dem gebürtigen Westfalen mehrere Ehrendoktorwürden verliehen; er ist zudem Träger des Ludwig-Erhard-Preises für Wirtschaftspublizistik.

Seinen Nachfolger Clemens Fuest bezeichnete Sinn als hervorragenden Ökonomen, der national und international große Anerkennung genieße. „Seine Weltläufigkeit wird zur Stärkung des internationalen Forschernetzwerks beitragen, das am Ifo-Institut aufgebaut wurde“, sagt Sinn über Fuest. Der 46-jährige gehört seit 2003 dem Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums an und ist seit Oktober 2012 Mitglied des Beirats für nachhaltige Entwicklung der Landesregierung Baden-Württemberg. Zu seinen aktuellen Forschungsthemen zählen die Schuldenkrise im Euroraum, der internationale Steuerwettbewerb sowie die Auswirkungen der   Besteuerung auf Unternehmensentscheidungen.

Mit dem Wechsel von Mannheim nach München wird Fuest auch an die Ludwig-Maximilians-Universität zurückkehren, an der er sich im Jahr 2001 mit einer Arbeit zum Zusammenhang von Steuerpolitik und Arbeitslosigkeit habilitierte. International war Fuest vor seiner Zeit am Mannheimer ZEW in Großbritannien tätig. An der Universität von Oxford hatte Fuest von 2008 bis 2013 die Professur für Unternehmensbesteuerung inne und war Forschungsdirektor des Centre for Business Taxation der Universität Oxford. Am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), wo Fuest bis 2018 einen Vertrag hatte, bedauert man seinen Weggang. „Er ist ist ein exzellenter Wissenschaftler und hat am Institut als Präsident auf verschiedenen Gebieten Neuerungen auf den Weg gebracht und wissenschaftlich wichtige Akzente gesetzt“, sagte Thomas Kohl, kaufmännischer Direktor des ZEW.