Die Wirtschafts-Prominenz hält sich demonstrativ zurück. Auch die Position des Hauptgeschäftsführers muss neu besetzt werden.

Stuttgart - Wenigstens einen gemeinsamen Termin haben die Akteure gefunden. Am 7. März soll die neue Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK) erstmals zusammentreten und dann einen Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Georg Fichtner wählen; der Chef des Ingenieurbüros Fichtner hört auf. Das Interesse an dem Ehrenamt hält sich in Grenzen. Seit den Wahlen zur Vollversammlung ist bereits ein halbes Jahr vergangen, und noch hat kein Kandidat die Hand gehoben. Die Suche nach dem Neuen an der Spitze läuft wie eine Geheimoperation; alle Beteiligten wurden zum Schweigen verdonnert.

 

Die Kammern, bei denen die Unternehmen zwangsweise Mitglied sind, tun sich bereits schwer, Prominenz für die Vollversammlung zu gewinnen. So sind unter den 100 gewählten Mitgliedern des neuen „Parlaments der Wirtschaft“ nur wenige Namen, die auch in der Öffentlichkeit bekannt sind; aber nur wer der Vollversammlung angehört, kann Präsident werden. Einer der namhaftesten Mitglieder ist Hartmut Jenner, der Chef des Reinigungsgeräteherstellers Kärcher in Winnenden. Bei ihm haben die Stuttgarter Kammer-Emissäre gleich mehrfach angeklopft. Der 51-Jährige hätte die Aufgabe auch gerne übernommen. Aber, so teilt das Unternehmen auf Anfrage mit, „leider lassen es seine Aufgaben als Vorsitzender der Geschäftsführung der Alfred Kärcher GmbH & Co. KG jedoch nicht zu, für dieses wichtige Ehrenamt zu kandidieren“.

Mehr als ein Ehrenamt mag sich kein Unternehmer aufladen

Eigentümer-Unternehmer, die einen für die Region typischen Produktionsbetrieb führen, gelten als Idealbesetzung. Diesem Profil würden Mathias Kammüller (Trumpf), Heinrich Baumann (Eberspächer) und Andreas Lapp (Lapp-Kabel) entsprechen; sagen mögen sie dazu freilich nichts. Kammüller hat sich allerdings gerade erst zum Zeitpunkt der Wahlen zur IHK-Vollversammlung im vorigen Jahr zum Landesvorsitzenden des VDMA küren lassen; die Amtszeit endet im Oktober 2018. Heinrich Baumann ist bereits Präsident der Bezirkskammer Esslingen und will für dieses Amt am 31. Januar erneut kandidieren. Seit Vater Günter Baumann gab die Führung der Bezirkskammer Esslingen ab, als er 2001 Präsident der IHK Region Stuttgart wurde. Mehr als ein Ehrenamt mag sich kein Unternehmer aufladen.

Zur Prominenz gehören auch die Personalchefs von Daimler und Bosch, Wilfried Porth und Christoph Kübel. Mit der Präsenz in der Vollversammlung bekennen sich ihre Arbeitgeber zur Kammer; die Führungsposition soll jedoch nach einem ungeschriebenen Gesetz nicht mit einem Konzernvertreter besetzt werden. Als möglicher Kandidat wird auch Bertram Kandziora, Chef des Waiblinger Sägenherstellers Stihl, genannt. Es gilt jedoch als nahezu sicher, dass er aufgrund der umfangreichen Pläne des Unternehmens nicht bereit ist, zusätzlich ein Amt zu übernehmen, das einige Arbeit mit sich bringt. Ein Tag pro Woche gilt als Mindestaufwand. Somit steigen die Chancen für einen Kandidaten aus der zweiten Reihe.

Die Kaktus-Initiative will keinen Kandidaten nominieren

In der IHK-Vollversammlung sind die Vertreter des klassischen Mittelstands sowie von großen Unternehmen nicht alleine. Vertreten ist auch eine Initiative, die unter dem Namen Kaktus auftritt, dem System der Zwangsmitgliedschaft kritisch gegenübersteht und insgesamt mehr Transparenz und Öffentlichkeit im Kammerwesen verlangt. Die Initiative hat bei den Wahlen 32 der 100 Sitze errungen, zehn mehr als bei den vorangegangenen Wahlen. Damals kandidierte Kaktus-Mann Jürgen Klaffke bei der konstituierenden Sitzung gegen Georg Fichtner, unterlag jedoch. Clemens Morlok, der zu den Vätern der Initiative gehört, geht davon aus, dass es trotz des nunmehr stärkeren Gewichts im März keinen offiziellen Kaktus-Gegenkandidaten geben wird; ein einzelnes Mitglied kann sich trotzdem zur Wahl stellen.

Morlok hält das für aussichtslos, weil es voraussichtlich nicht gelingen wird, auch nur einen einzigen Kaktus-Vertreter ins 21-köpfige Präsidium entsenden zu können, es besteht aus dem Präsidenten sowie 20 ordentlichen und stellvertretenden Mitgliedern. Mindestens drei bis vier Vertreter würde Morlok mit Blick auf das Wahlergebnis eigentlich für angemessen halten. Obwohl es bei den Kammern keine förmlichen Fraktionen und bei den Wahlen keine entsprechenden Listen gibt, dominiert das Blockvotum. So hat Morlok selbst bei der Wahl zum Präsidenten der Bezirkskammer Ludwigsburg alle Stimmen der Kaktus-Initiative erhalten, sämtliche anderen bekam Albrecht Kruse, Chef des Lackierpistolenherstellers Sata.

Die Personalberatung Kienbaum sucht geeignete Kandidaten

Wenn klar ist, wer IHK-Präsident wird, dann muss die Suche nach einem neuen Hauptgeschäftsführer intensiviert werden. Der Vertrag von Hauptgeschäftsführer Andreas Richter, der seit 1998 amtiert und in diesem Jahr 65 Jahre alt wird, endet im Januar 2018. Mit der Nachfolgesuche beauftragt ist die Personalberatung Kienbaum, die durch Annoncen in überregionalen Zeitungen, über Internetportale und durch Direktansprache mehr als 100 Interessenten gesammelt hat, aus denen dann der richtige Kandidat herausgefiltert werden muss. Geht es nach der Kaktus-Initiative, dann sollten es sogar mehrere Kandidaten sein, aus denen die Vollversammlung einen aussucht. Dass der neue Hauptgeschäftsführer von der Vollversammlung bestellt wird, steht auch in der Stellenausschreibung; dies war in der Vergangenheit aber nur die förmliche Bestätigung einer zuvor im kleineren Kreis getroffenen Entscheidung.

Wie viel Geld der neue Hauptgeschäftsführer verdienen kann, geht aus der Stellenausschreibung nicht hervor – ebenso wenig wie das gewünschte Datum für den Dienstantritt. Auch über das Gehalt des aktuellen Hauptgeschäftsführers sagt die Kammer nichts. Bekannt ist aus der Wirtschaftsplanung 2017 lediglich, dass die Gehälter für Andreas Richter und seine beiden Stellvertreter zusammen 747 000 Euro betragen haben. Sollte Richter, wie in der Wirtschaft auf solchen Positionen häufig anzutreffen, das 1,5-fache Gehalt seiner Kollegen haben, dann käme er auf 320 000 Euro. Die Kaktus-Initiative hält das für viel zu viel und fordert entsprechend einer Einschätzung des Obersten Rechnungshofs (ORH) in Bayern die Orientierung an den Bezügen von Beamten. Morlok hält den Vergleich mit einem Behördenleiter, der nach B9 vergütet wird, für angemessen. Dessen Grundgehalt beträgt in Baden-Württemberg etwa 130 000 Euro pro Jahr.