Im Stuttgarter Tierheim herrscht der Ausnahmezustand: Über 100 illegal transportierte Hunde- und Katzenbabys müssen versorgt werden. Einige sind schon gestorben. Die Schuld für die Zustände sieht die Tierheimleiterin bei den Käufern.

Digital Desk: Lena Hummel (len)

Stuttgart - Sie sind eingeschüchtert und verängstigt, sie haben Seuchen, Parasiten und Salmonellen dabei sind einige von ihnen erst fünf Wochen alt. „Viel zu jung, um sie der Mutter zu entziehen“, sagt Marion Wünn, Leiterin des Stuttgarter Tierheims. Den Tierhändlern mit slowakischem Kennzeichen war das egal, als sie 93 Hundewelpen und 21 Katzen illegal nach Spanien schmuggeln wollten. Gelungen ist der Transport nicht: Die Tierhändler wurden zufällig auf der A 8 bei Leonberg (Kreis Böblingen) kontrolliert, die Tiere ins Tierheim in Stuttgart-Botnang gebracht.

 

Dort herrscht jetzt Ausnahmezustand: Die Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun; Marion Wünn kann sich vor Anfragen kaum retten. Alle wollen Gutes tun – ein Tier aufnehmen oder im Tierheim mitanpacken. Gut gemeint, weiß Wünn. Vor allem die Tieranfragen hielten sie aber von der Arbeit ab: „In meinem Postfach liegen 200 Mails, 100 sind alleine von Interessenten.“ Dabei muss gerade jetzt der Alltag im Tierheim weitergehen.

Die Katzenseuche ist das größte Problem

Trotz der medizinischen Versorgung im Stuttgarter Tierheim haben es neun Tiere nicht geschafft: Erst am Montag sei wieder eine Katze gestorben, in der Nacht zu Dienstag eine weitere, sagt Wünn. Insgesamt haben bislang neun Tiere – zwei Hunde und sieben Katzen – nicht überlebt. Über den Berg sind die anderen Tiere noch lange nicht. Bei den Katzen werde noch gebangt, bei den Hunden sei die Lage zwar entspannter, die Situation könne aber jederzeit kippen. „Da kann es schon mal sein, dass man morgens denkt, dem Hund geht es wieder gut und abends scheint er dann wieder todkrank“, weiß die Tierheimleiterin.

„Bei den Katzen ist Parvovirose, also Katzenseuche, das größte Problem. Das ist hoch ansteckend“, sagt Wünn. Salmonellen und Parasiten seien da vergleichsweise weniger schlimm. Die Hunde hätten glücklicherweise keine Seuche, tödlich sei aber das stressbedingt Lebersyndrom. „Das tritt dann auf, wenn die Welpen zu früh von ihrer Mutter getrennt werden und unter Stress geraten“, erklärt Wünn. Bei den in Stuttgart verstorbenen Hunden sei das die Todesursache gewesen.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot

Wünn weiß: Illegale Tiertransporte sind kein Einzelfall, der zufällig gestoppte Transporter Richtung Spanien „war nur ein Tropfen auf den heißen Stein“. Trotzdem hat sie so etwas noch nicht erlebt. Die Schuld für die Zustände sieht sie ganz klar bei den Käufern: „Wenn keine Nachfrage nach billigen Rassehunden mehr da ist, dann gibt es auch keinen Grund mehr für illegale Transporte.“ Und trotzdem: Die „Schnäppchenjägermentalität“ macht auch bei Tieren keinen Halt.

In Spanien gebe es noch ein weiteres Problem: „Wenn die Leute keine Lust mehr haben, setzen sie ihre Hunde einfach auf die Straße“, so Wünn. Die Konsequenz: Straßenhunde ohne Ende, die wiederum illegal transportiert und verkauft werden. „Ein Teufelskreis“, so die Tierfreundin. Grundsätzlich findet sie: „Wenn es schon ein Rassehund sein muss, dann sollte man sich auf jeden Fall nach seriösen Züchtern umschauen.“ Die Kriterien sind einfach: nur eine Rasse pro Züchter, nicht mehr als ein Wurf im Jahr.

Jeder Euro zählt

In Wünns Augen ist das nächste Tierheim oder eine Tierschutzorganisation trotzdem die beste Anlaufstelle für alle, die sich für ein Tier interessieren. Um die betroffenen Tiere bald vermitteln zu können, ist das Tierheim in Stuttgart-Botnang jetzt auf Spenden angewiesen. 20 000 bis 30 000 Euro sind schon eingegangen. Trotzdem zähle jeder weitere Euro, denn: „Pro Tag kostet die Versorgung der Tiere 2000 Euro.“

Wie es weitergeht, kann die Tierheimleiterin noch nicht genau sagen. Eins ist aber sicher: Die Tiere können frühestens in drei Wochen vermittelt werden. Ob die Händler die Tiere zurückverlangen, steht noch in den Sternen. „Rein theoretisch wäre das möglich“, so Wünn. Die Händler könnten Widerspruch gegen die Einziehung der Tiere einlegen. Dass es tatsächlich so weit kommt, glaub die Tierfreundin aber nicht. „Die Händler müssten dann für die Unkosten aufkommen, das Profitgeschäft wäre dahin.“