Ob am Rathausdach, mitten im Westen oder in Hohenheim: Bienenvölker mitten in der Stadt sind eine wundersame Erscheinung. Gerade jetzt im Frühling lohnt ein Blick auf die wichtige Arbeit der Imker:innen in Stuttgart. Und die ihrer geflügelten Angestellten.

Stuttgart – In dieser Stadt leben mehr Bienen als Menschen. 15.000 Tiere in einem Schwarm sind keine Seltenheit, da kommt schnell die Population einer Megacity zusammen. Eine geheimnisvolle Stadt in der Stadt – die Welt der Bienen ist eine überaus faszinierende. Das Leben im Bien, also die Gemeinschaft der Bienen aus Königin, Drohnen und Arbeitern, ist uns so fremd und rätselhaft wie ein außerirdische Spezies. Wie ein Superorganismus vollbringt der Bien Dinge, die die Biene als Individuum niemals fertig bringen würde. Schwarmintelligenz in Reinform.

 

Verbietet die Schottergärten!

Kurz gesagt: Bienen sind viel mehr als summende Insekten, die auf ihren unsichtbaren Highways durch die Stadt brummen. Ohne Bienen gäbe es nicht nur keinen köstlichen Honig, den sie eigentlich als Wintervorrat anlegen; ohne ihre unermüdliche Arbeit der Bestäubung gäbe es so gut wie kein Obst und Gemüse mehr. Ein Bienenvolk kann am Tag bis zu drei Millionen Obstblüten bestäuben. Macht das mal mit einem Bestäubungspinsel nach! Dennoch schreitet das Bienensterben voran, dennoch halten es Menschen immer noch für eine gute Idee, hässliche Schottergärten anzulegen, die auf Bienen so einladend wirken wie die Toilette im Palast der Republik auf den Rest der Stadt.

Also richten sich die Augen mehr denn je auf die urbanen Imker:innen. Auf die großen und kleinen Bienenprofis, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen Teil dazu beitragen, dass es den Bienen in der Großstadt gut geht. Da gibt es einen eingetragenen Imkerverein, die Menschen von Summtgart mit ihren Bienenvölkern in der ganzen Stadt, Bienenvölker auf dem Rathausdach, das Team von Filderhonig und in Hohenheim sogar eine Landesanstalt für Bienenkunde. Relativ neu im Imker-Game sind Luisa und Karl Geist von Stuttgart West Honey. Gegründet vor zwei Jahren, kümmern sich die beiden mit einer gemeinsamen Freundin mitten im Westen um das Wohlergehen der summenden Wunderwesen.

Honig vom Feuersee

Ihr Wissen wollen sie gern weitergeben: „Die Biene ist durch ihre Anziehungskraft und die Komplexität der Lebensweise ein wichtiges Tier, um wieder näher mit seiner Umwelt in Kontakt zu kommen. Unseren Kunden berichten wir von die Alleen in der Bismarckstraße oder der Johannesstraße am Feuersee, können dann auf das Glas Sommerhonig zeigen und erzählen, dass die Bienen den Honigtau von genau hier gesammelt haben. Als Imker nimmt man die Natur sehr viel bewusster wahr.“ Honigtau, das kann man kurz erklären, ist das Ausscheidungsprodukt von Läusen und Flöhen. Wenn es mal keinen Nektar gibt, stechen die Bienen einfach diese Tiere an und saugen sich mit der süßen Masse voll.

Drei Völker hat Stuttgart West Honey derzeit, sie stehen auf einem Flachdach zwischen Schwab- und Rotebühlstraße in der Nähe vom Plattsalat. Drei Völker, da summt also schon mal die Bevölkerung einer größeren Kleinstadt über unseren Köpfen. „Der Westen ist aus meiner Sicht ein guter Standort, weil die Bienen von den vielen Stadtbäumen wie Linde oder Ahorn, den vielen Sträuchern und Blumen in den Gärten und der Nähe zur Hasenbergsteige profitieren“, weiß Karl. Stimmt schon: Der Bienen-Flugradius von drei Kilometern führt hier im Westen zu jeder Menge blühendem Grün.

Mensch und Natur im Einklang

Das Team von Filderhonig imkert hingegen in der Peripherie des Kessels. „Wir haben derzeit zwei Standorte inmitten der Stadt und einen auf den Fildern“, berichtet Richard Odemer. „An allen drei Bienenständen ernten wir völlig unterschiedliche Honige, obwohl diese Plätze zum Teil nur wenige Kilometer Luftlinie auseinander liegen. Das macht für uns den Reiz des Imkerns in Stuttgart aus. Man bekommt eine unglaubliche Vielfalt an fantastischen Honigen – komponiert aus dem Einklang von Mensch und Natur, den man so nur im Kessel findet.“

Jetzt im Frühjahr herrscht natürlich Hochbetrieb im Bienenstock. Alle Bäume und Sträucher beginnen zu blühen, Nektar wird geerntet und bestäubt, was das Zeug hält. „Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Imker oft auf Entzug, da er seine Bienen von Oktober bis März kaum zu Gesicht bekommt und ihnen ihre Winterruhe gönnt“, berichtet Richard. Übrigens: Durch die Aufstellung der Bienenkästen und die Kenntnis des Blütenkalenders wissen die Imker:innen immer relativ genau, welcher Honig da gerade entsteht.

45 Millionen Bienen

Macht schon neugierig, die Arbeit der Imker:innen. Und ist zweifellos erfüllend. Das Leben mit einem Bienenvolk bedeutet aber natürlich eine Menge Arbeit, außerdem sind Ruhe und Besonnenheit im Umgang mit Bienen gefragt. Ist das gegeben, kann man seine gesamte Karriere als Imker:in ohne einen einzigen Bienenstich überstehen. Theoretisch. Beachten sollte man aber: Es gibt auch so etwas wie zu viele Bienen in einer Stadt, wie man beispielsweise in Paris sieht, wo es langsam eng wird für die Bienen „In Stuttgart stehen derzeit rund 3.000 Völker im zentralen Stadtgebiet“, weiß Richard. Anders gesagt: Locker 45 Millionen Bienen.

Wer Lust hat, selbst unter die Imker:innen zu gehen, informiert sich vorher also am besten, ob das in der eigenen Gegend möglich oder sinnvoll ist – zum Beispiel beim Landesverband Württembergischer Imker. Alternativ kann man aber auch einfach seinen Balkon zum Paradies für die fleißigen Insekten machen. Und dem zufriedenen Summen lauschen, während man einen Aperitivo in der Sonne genießt.

Hier gibt es Honig aus Stuttgart:

www.instagram.com/stuttgart_west_honey

www.summtgart.de

www.filderhonig.de