Es gibt weniger zu tun. Die Preise für Wohnraum stagnieren. Und Unternehmer vermissen die Unterstützung durch die städtischen Bauämter.

Leonberg - Alles ist bereit, das Material, das Geld für den Auftrag und die Arbeiter. Der Baubeginn im Gewerbegebiet Leonberg-West war für den 23. März geplant. Dennoch können die Mitarbeiter von Ricarda Stäbler bis heute nicht loslegen – weil die Baugenehmigung noch nicht da ist. „Wir werden von den Bauämtern ausgebremst“, sagt die Weil der Städter Unternehmerin. „Selbst die, die in der jetzigen Lage noch gewillt sind, zu bauen.“

 

Auf verschiedenen Ebenen wirkt sich die Corona-Krise auf die Immobilien- und Bauwirtschaft aus. Da sind eben jene kleineren Stolpersteine wie die Bürokratie und da sind vor allem die schwierigen Hygiene-Maßnahmen auf der Baustelle und da sind Auftragseinbrüche. „Im Bereich Industrie und Gewerbe gehen die Anfragen stark zurück“, berichtet Matthias Schäfer, der Geschäftsführer des Leonberger Planungs- und Bauunternehmens Mörk. „Die Firmen denken zurzeit an Kurzarbeit oder Entlassungen – da haben viele von ihnen andere Sorgen als ein neues Verwaltungsgebäude.“

Dabei zeigt sich aber ein differenziertes Bild. Ein Drittel des Geschäfts macht bei Mörk der Bereich Industrie aus, zwei Drittel der Bereich Gebäude für Wohnen und fürs Soziale. Letzteres läuft normal weiter – noch. „Da werden die kommenden Wochen entscheidend“, sagt er. „Wenn die Wirtschaft jetzt nicht in Gang kommt, wird sich möglicherweise auch die derzeit noch sehr starke Nachfrage nach Wohnraum wenden.“

Das zeige sich schon am Preis: Der fällt zwar nicht, aber er steigt auch nicht wie all die Jahre zuvor. Dieser Trend könnte sich verstärken, sagt Matthias Schäfer. „Ein wesentlicher Treiber der Wohnungsnot bislang war die Urbanisierung, also der große Zuzug von Fachkräften in unsere Region.“ Wenn jetzt die Automobilindustrie hüstelt und Mitarbeiter abbaut, könnte auch der Druck auf den Wohnungsmarkt abnehmen – und die Preise könnten weiter stagnieren.

Preise auf Wohnungsmarkt stagnieren

Keine guten Aussichten für die Bauwirtschaft, die bislang der Corona-Krise noch eine wichtige Stütze der Konjunktur ist. Anders als im Ausland laufen in Deutschland die Arbeiten trotz des Infektionsgeschehens weiter. „Da haben die Bauunternehmen und ihre Mitarbeiter ganz hervorragendes geleistet“, sagt Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB). „Meine Kollegen in den anderen europäischen Ländern berichten mir, dass bei ihnen die Bauwirtschaft teils um 90 Prozent eingebrochen ist.“

Eine, die in den vergangenen Monaten viel managen musste, war zum Beispiel Ricarda Stäbler. „Das fängt schon mit der Fahrt auf die Baustelle an“, berichtet die Chefin des Weil der Städter Familienunternehmens. Das durfte natürlich nicht in den gewohnten Bussen in der Stammbesetzung passieren. Auf der Baustelle selbst musste sie die sanitären Einrichtungen aufstocken und die Reinigungsintervalle erhöhen. „Unsere Poliere und die Bauleiter messen auch regelmäßig Fieber“, sagt Stäbler. Einen Mundschutz müssen die Arbeiter nur tragen, wenn sie eng zusammenarbeiten, etwa beim Betonieren einer Wand.

„Wir haben bei all dem sehr eng mit den Behörden zusammengearbeitet“, sagt Ricarda Stäbler. Zu klären waren zum Beispiel die Quarantäne-Maßnahmen für Arbeiter aus dem Ausland. Die war anfangs ja vorgeschrieben, wenn jemand frisch eingereist ist. „Wir haben eine Ausnahme bekommen“, berichtet die Unternehmerin. Die Arbeiter blieben im Wohnheim und auf der Baustelle zusammen, hatten aber keinen Kontakt nach außen. „Wir sind dann zum Beispiel für unsere Mitarbeiter einkaufen gegangen.“ All das haben sie erfolgreich gestemmt, Ricarda Stäbler ist stolz auf ihre Mitarbeiter. „Trotz der höheren gesundheitlichen Risiken sind meine Mitarbeiter immer arbeiten gegangen“, sagt sie.

Das sagt sie, weil sie sich von den Bauämtern in den Rathäusern im Stich gelassen fühlt, und nicht nur sie. In zwei aktuellen Mitgliederbefragungen vom April und Mai des Bau-Zentralverbandes klagen 40 Prozent der Unternehmer über Personalengpässe bei den Bauämtern, was etwa zu mangelnden Baugenehmigungen führt.

Ein Teil der Mitarbeiter arbeite im Homeoffice, könne aber offensichtlich nicht immer auf den Aktenbestand zugreifen oder hat zu Hause mit technischen Problemen zu kämpfen. „Die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit in der öffentlichen Verwaltung darf die Bautätigkeit nicht behindern“, fordert Präsident ZDB-Präsident Reinhard Quast. Auch Matthias Schäfer, der Mörk-Chef stellt das fest. Termine in den Behörden seien kaum zu bekommen. „Das macht auch die Abstimmung der Vorhaben mit den Behörden im Vorfeld der Genehmigungen schwierig“, sagt er.

Rathäuser versprechen, weiterhin zu arbeiten

In den Rathäusern freilich weist man diesen Vorwurf zurück. In Sindelfingen, berichtet Nadine Izquierdo, die Sprecherin der dortigen Stadtverwaltung, seien bis Mai 101 Bauanträge eingegangen, abgearbeitet habe man im gleichen Zeitraum 98 Anträge. „Wir arbeiten trotz der schwierigen Umstände normal weiter“, sagt sie. Für die Weil der Städter Stadtverwaltung beteuert der Beigeordnete Jürgen Katz, dass seine Mitarbeiter trotz Homeoffice arbeitsfähig sind. „Die Mitarbeiter sind nie nur daheim“, erklärt er. Jeder habe auch Präsenztage, an denen er sich mit den nötigen Materialien wie etwa Bebauungsplänen versorgt. Katz berichtet, dass die Zahl der Bauanträge aber eher zunimmt. „Ich habe das Gefühl, die Leute haben jetzt Zeit und treiben solche Pläne eher voran“, vermutet der Beigeordnete.

Ähnlich ist es auch in Leonberg. In den vergangenen Monate habe es tendenziell mehr Anfragen bezüglich möglicher Bauvorhaben gegeben, sagt Leonbergs Pressesprecher Tom Kleinfeld. Den Vorwurf, dass das Bauamt wegen Corona nicht genügend arbeitsfähig sei, weist er zurück: „Prinzipiell hat es coronabedingt bezüglich der Bearbeitung der Verfahren keine Verzögerungen gegeben.“ Baugenehmigungen seien aber oft sehr komplexe Verfahren, wenn etwa Gutachten von externen Fachbehörde zum Beispiel zum Brandschutz oder zum Thema Umweltrecht eingeholt werden müssen, berichtet Kleinfeld. „Wenn der Bauherrn ein Verfahren anpasst, erfordert jede Änderung g eine erneute Beteiligung aller Fachbehörden“, sagt der Sprecher. Die städtische Wirtschaftsförderung unterstütze aber die Baubranche. So seien etwa Infos zu coronabedingten Hilfsprogrammen auf der städtischen Internetseite aufbereitet.