Im vierten Quartal 2018 wurden mehr als doppelt so viele neue Wohnungen verkauft wie zwischen Juli und September. Besonders ein Stadtviertel scheint zu boomen. Der Immobilienatlas zeigt, was Wohnungen in Stuttgart wirklich kosten.

Stuttgart - Was kostet eine Immobilie in Stuttgart? Die Preise aus Internetportalen und Inseraten spiegeln den Wunsch der Verkäufer wider. Was bezahlt wird, wissen nur die Notare. Sie melden jeden Abschluss dem städtischen Gutachterausschuss, nur er hat Zugriff auf diese Daten. Somit wertet er im Gegensatz zu Online-Portalen die bezahlten Kaufpreise in Stuttgart aus.

 

Der stellvertretende Vorsitzende des Gutachterausschusses der Stadt Stuttgart, Stefan Bolenz, hatte im vergangenen Herbst auf eine kleine Jahresendrallye im letzten Quartal gehofft, damit sich die bis dahin unterirdische Verkaufsbilanz sowohl neuer als auch gebrauchter Wohnungen noch etwas verbessern möge. Und sein Wunsch wurde erfüllt, vor allem, weil im Bereich Friedhof-/Nordbahnhofstraße das Siedlungswerk in seinem Planungsgebiet Rosenstein II mit dem Verkauf von 122 Neubauwohnungen offenbar gut vorangekommen ist. Die freigegebenen Zahlen lassen zwar keine exakten Rückschlüsse auf das jeweilige Projekt zu, das geringe Aufkommen hilft allerdings bei der Identifizierung. Im Osten gab es 13 Verkäufe, der Investor des Projekts „Wohnen an der Villa Berg“ mit 48 Einheiten meldet, 30 Prozent der Wohnungen verkauft zu haben. Unterirdisch ist dagegen weiterhin das Aufkommen im Bereich Neckar. Drei Abschlüsse in Bad Cannstatt sind alles, was der Markt zu bieten hatte.

Mehr Aktivitäten im Norden

Allein im Gebiet Nord wurden 67 neue Objekte verkauft, im Quartal zuvor waren es gerade einmal 13 gewesen. 129 Kaufverträge im gesamten Stadtgebiet waren mehr als doppelt so viel wie zwischen Juli und September. Der Durchschnittspreis betrug 6416 Euro, das ist eine Steigerung um 11,2 Prozent, die in erster Linie mit dem Verkauf mehrerer teurerer Wohnungen begründet werden kann.

Die teuerste Immobilie ging für einen Quadratmeterpreis von 14 154 Euro weg, dabei dürfte es sich erneut um eine Eigentumswohnung mit guter Aussicht im „Mayliving“ in der Maybachstraße gehandelt haben, wo laut Vermarkter von 70 Einheiten noch 26 zu haben sind. Rekordhalter des Jahres ist ein Apartment für 16 890 Euro, die billigste Neubauwohnung 2018 kostete 3824 Euro pro Quadratmeter. Am Jahresende waren es zusammen 314 Einheiten gewesen – so wenige wie nie zuvor. 2016 gab es noch stattliche 691 Verkäufe. Die Preistendenz ist weiter steigend, und zwar in einer Größenordnung von zwei bis sieben Prozent, so die Meinung des Gutachterausschusses.

Das gilt auch für den Gebrauchtsektor, wo im vierten Quartal 630 Verkäufe gemeldet wurden, immerhin 22 mehr als drei Monate zuvor. Der Durchschnittspreis von 3768 Euro pro Quadratmeter lag um 6,6 Prozent über dem Wert des dritten Quartals. Es war gleichzeitig die höchste Zahl an Veräußerungen im abgelaufenen Jahr. 2018 wurden insgesamt 2365 Objekte gehandelt, auch das ist deutlich weniger als in der Vergangenheit. Die billigste Einheit wurde 2018 für 857 Euro veräußert, die teuerste ging zwischen Oktober und Dezember für 11 364 Euro pro Quadratmeter im Westen weg.

In Stuttgart werden zu wenig Wohnungen gebaut

Laut Sebastian Grimm von Jones Lang LaSalle ist in den deutschen Topstädten die Zahl der Haushalte seit 2013 um etwa 3,6 Prozent gestiegen, der Wohnungsbestand hingegen um lediglich 2,9 Prozent. In Stuttgart müssten pro Jahr mehr als 5200 Einheiten gebaut werden, meint etwa der Stuttgarter Haus- und Grundbesitzerverein. OB Fritz Kuhn (Grüne) hält allerdings gerade einmal 1800 Wohnungen für realistisch. Zuletzt erhöhte sich der Druck im Kessel, als das Statistische Amt – allerdings nur auf Basis dieser 1800 Wohnungen – eine Zunahme der Stuttgarter Bevölkerung bis 2030 um 38 000 auf knapp 650 000 Einwohner prognostizierte. „2018 war Stuttgart um 2700 Personen gewachsen“, sagte Amtsleiter Thomas Schwarz. Der Zuwachs um 0,4 Prozent lag auf dem Niveau von 2017. Ende Dezember 2018 waren 614 365 Einwohner mit ihrer Hauptwohnung hier gemeldet.

Anders als im Mietwohnungsmarkt seien laut Grimm auf dem Eigentumswohnungsmarkt die stärksten Preisschübe nicht in der Spitzenklasse, sondern maßgeblich in den untersten Kaufpreisklassen zu beobachten. „Nur in diesem Segment ist für viele Käufer offensichtlich noch die Finanzierbarkeit gegeben, und noch sind sie bereit, trotz steigender Kaufpreise, aktiv zu werden.“ Durch die stark gestiegenen Kaufpreise in zentralen Lagen würden nun vermehrt die Ränder und damit preiswertere Standorte ins Auge gefasst.

Der Hafen eignet sich nicht zum Wohnen

Die Folge: Auch dort werde es einen Preisschub geben. Die Neckarvororte scheint er nicht zu kennen. Dort gibt es aufgrund der Tallage und hohen Industrialisierung derzeit keine Konversionsflächen. Und wie in anderen Städten den Hafen zum hippen Wohngebiet umzuwandeln scheint auch keine Option. Wirtschaftsförderin Ines Aufrecht hat erst kürzlich davor gewarnt, derart intensiv genutzte Flächen zugunsten von Wohnungen aufzugeben.

Haus & Grund sowie eine Mehrheit im Gemeinderat sprechen sich bekanntlich für die Ausweisung neuer Baugebiete am Stadtrand aus, verzichten aber – zumindest vor der Kommunalwahl im Mai – darauf, außer dem Gewann Schafhaus in Mühlhausen konkrete Flächen zu benennen. Die Stadt verweist auf ihre kurz- und mittelfristig nutzbaren Potenziale auf versiegelten Flächen, vor allem im Rosensteinviertel auf dem heutigen Bahngelände.

Nun hat die Grünen-Fraktion im Gemeinderat, Bezug nehmend auf eine Studie der TU Darmstadt und des Pestel-Instituts Hannover, die Umnutzung von „Nichtwohngebäuden“ in den Fokus gerückt. Bundesweit könnten insgesamt 2,3 bis 2,7 Millionen Einheiten durch Aufstockung von Bürogebäuden, Parkhäusern und eingeschossigem Einzelhandel, Discountern und Märkten bei Erhalt der Verkaufsflächen gewonnen werden. „Angesichts der steigenden Einwohnerzahlen in Stuttgart bietet sich möglicherweise eine weitere Möglichkeit, in der Innenentwicklung bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, schreiben die Grünen.