Zwei Ärzte und eine Verwaltungsfrau organisieren die Impfkampagne im Kreis Böblingen. Was treibt sie an?

Sindelfingen - Noch arbeiten sie mit angezogener Handbremse. Ausgelegt ist das Kreisimpfzentrum in der Sindelfinger Messehalle für einen Zweischichtbetrieb an sieben Tagen der Woche. Bis zu 5000 Impfungen pro Woche könnten die Mitarbeiter auf diese Weise stemmen. Doch aktuell mangelt es noch am Wichtigsten: dem Impfstoff.

 

Mit vier Wochen Verspätung ist das Zentrum deshalb am 14. Februar eröffnet worden. Nur drei Tage lang war es in der ersten Woche geöffnet. Am Freitag standen auffallend viele junge Leute vor der Messehalle in der Schlange. „Das sind alles Mitarbeiter ambulanter Pflegedienste. Die haben wir kurzfristig eingeladen, weil sie jetzt auf der Prioritätenliste stehen“, sagt Wiebke Höfer. Die 33-Jährige ist die Verwaltungs- und Organisationschefin des Impfzentrums. Sie schickt die mobilen Impfteams in die Altenheime im Kreis, ist Ansprechpartnerin für alle Mitarbeiter und koordiniert die Abstimmung mit den Rettungsdiensten, dem Landratsamt und den Ministerien.

Die junge Chefin ist Ehrenamtliche beim Roten Kreuz

Seit zehn Jahren ist die Diplom-Verwaltungswirtin Mitarbeiterin des Böblinger Landratsamts, hat bereits im Jugendamt, der Pressestelle und der Stabsstelle Steuerung und Beteiligung gearbeitet. Als sie gefragt wurde, ob sie die Leitung des Impfzentrums übernehmen wolle, hat sie gleich zugesagt. Schließlich bringt sie Erfahrung als ehrenamtliche Sanitäterin des Deutschen Roten Kreuzes mit und ist daher bestens vertraut mit der Organisation medizinischer Abläufe.

Das Management des Impfzentrums ist jedoch eine besondere Herausforderung. Ständig wechselnde Vorschriften, der Mangel an Impfstoff und die Anrufe genervter Impfwilliger gehören zum Alltag. Zur Seite stehen der jungen Chefin zwei Ärzte: Jörg Gaiser, Allgemein- und Hausarzt mit Praxis in Sindelfingen, und Martina Burchert-Graeve, Laborärztin aus Sindelfingen. „Eine ideale Kombination“, sagt Wiebke Höfer.

Burchert-Graeve arbeitet im Corona- Abstrichzentrum nebenan. Sie ist stets auf dem neuesten Stand über die Anzahl der Infektionen und kann auch einordnen, was die aktuellen Ausbrüche in drei Pflegeheimen im Kreis für die Impfkampagne bedeuten. Die angesetzte Erstimpfung im Böblinger Heim Sonnenhalde wurde verschoben. Jörg Gaiser hat gemeinsam mit vier Kollegen eine Hausarztpraxis in Sindelfingen und ist zudem Notarzt im Kreis. Auch er ist dicht dran am Corona-Geschehen. „Wir haben in unserer Praxis fast täglich positiv Getestete.“ Trotzdem sei es ihm gelungen, sich bisher nicht anzustecken. Und nun hat er ja bereits die erste Impfung erhalten – wie alle Mitarbeiter des Impfzentrums. Trotzdem herrscht überall strenge Maskenpflicht.

Die Ärztin opfert ihren Urlaub für die Arbeit im Impfzentrum

Burchert-Graeve opfert ihren Urlaub für die Arbeit im Impfzentrum, Gaiser macht den Dienst neben seiner normalen Arbeit. Was treibt die beiden gestandenen Ärzte zu dieser Doppelbelastung an?

„Eine Pandemie ist eine besondere Situation, da will ich helfen. Ich bin überzeugt: impfen ist das wirksamste Mittel gegen das Virus“, sagt Gaiser. Dabei sei es egal, welches der zugelassenen Mittel verabreicht werde. „Die haben alle eine sehr hohe Wirksamkeit“, sagt Burchert-Graeve. Sie bedauert, dass der Impfstoff von Astrazeneca „so schlechtgeredet wird“. Auch sie ist überzeugt von der Schutzfunktion der Impfungen. Einen Beleg sieht sie bei den aktuellen Corona-Ausbrüchen in drei Pflegeheimen im Kreis. In zwei Heimen hatten die Bewohner schon die erste Impfung hinter sich. Dort ist keiner schwer erkrankt. In dem Heim, in dem noch niemand geimpft war, gibt es schwere Krankheitsverläufe und sogar Tote.

Zurzeit arbeiten 39 Personen im Impfzentrum, überwiegend medizinisches Personal. „Viele machen das neben ihrem Hauptjob“, sagt Höfer. Alle hat sie extra neu eingestellt – mit einem befristeten Vertrag bis Ende Juni. Auch Sicherheitsleute, Dolmetscher und Verwaltungskräfte gehören zum Personal. Bereits in der kommenden Woche will Wiebke Höfer weitere 27 Leute einstellen. „Schon für das Wochenende planen wir den Zwei-Schicht-Betrieb“, sagt die junge Chefin.

Sinn hat dieses Tempo freilich nur, wenn auch die Impfberechtigten ihre Termine wahrnehmen. Denn über eines lässt Höfer nicht mit sich reden: Übrig gebliebener Impfstoff wird nicht einfach an andere Impfwillige vergeben, sondern so lange gelagert, bis jemand von der Prioritätenliste da ist. „Da bin ich ganz Beamtin und halte mich an die Vorschriften.“