Mehrere Klassen der Winnender Schule beim Jakobsweg haben eine Exkursion zur Stuttgarter Synagoge unternommen. Spuren jüdischer Kultur sind im Rems-Murr-Kreis äußerst rar.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Besuch von Schulen sind keine Seltenheit in der Synagoge der Israelitischen Glaubensgemeinschaft Württemberg an der Stuttgarter Hospitalstraße. „Eigentlich kommen jeden Montag Klassen zu uns“, sagt der Religionslehrer, der die Führung für die Schule beim Jakobsweg übernommen hat. Seine Erfahrung als Lehrer bemerkt man sofort, die Mischung aus Humor und Autorität verfängt bei den Elftklässlern aus Winnenden, denen unterwegs erst einmal die Lehrer abhanden gekommen sind. Und so wird er nach einer Einführung in das Judentum von den Jugendlichern mit Fragen gelöchert. Schließlich hat man nicht oft die Gelegenheit, im Großraum Stuttgart eine Synagoge zu besuchen.

 

„Die nächsten sind in Esslingen und in Ulm zu finden“, sagt der Reiseführer durch die jüdische Kultur, der seinen Namen nicht gedruckt sehen will. Die Synagoge in Esslingen war lange Zeit als Galerie genutzt worden, bevor sie im März 2012 wieder zum Gotteshaus wurde. In der Stadt wurde im selben Jahr auch der jüdische Friedhof in der Unteren Beutau aus dem 19. Jahrhundert von dem Verein Denk-Zeichen wieder zugänglich gemacht.

Im Rems-Murr-Kreis sind Spuren jüdischer Kultur noch spärlicher gesät als im Rest des Großraums Stuttgart. Zwar gibt es Dokumente über jüdische Gemeinden im Mittelalter in Waiblingen und Winnenden. In Waiblingen wird im Jahr 1350 sogar eine Synagoge genannt. Wo deren Standort war, ist jedoch nicht mehr bekannt. Die Behauptung, auf dem Gebiet des heutigen Landkreises sei es damals nicht zu Pogromen gekommen, stimmt allerdings nicht. Im Jahr 1349 soll es in Waiblingen zur Verfolgung der jüdischen Gemeinde gekommen sein.

Erst im 19. Jahrhundert zogen vereinzelte Familien in das Gebiet des Kreises

Erst im 19. Jahrhundert sind wieder vereinzelt jüdische Familien in das Remstal und Umgebung gezogen. So existierte am Schorndorfer Marktplatz das Warenhaus von Julius Anspach, in Backnang zählten im 19. und 20. Jahrhundert die Familien des Lederfabrikanten Julius Feigenheimer, sowie der Kaufmänner Wolfgang Feigenheimer und Jaques Caspan zu den Honoratioren Backnangs.

Der Antisemitismus der Nazis zeigte insbesondere in Geradstetten, das heute zu Weinstadt zählt, seine hässliche Fratze, obwohl in dem Flecken nie eine jüdische Familie lebte. Diesen Fanatismus bekam ein kleiner Junge als uneheliches Kind eines jüdischen Vaters zu spüren, der das nie vergessen hat: zeitlebens hat den wortgewaltigen Helmut Palmer das Treiben von Alt- und Neonazis in helle Rage versetzt.

Antisemitismus ist bis heute ein Problem für die jüdischen Gemeinden. So wunderten sich die Winnender Schüler, warum sie nicht auf der Straße auf ihre Lehrer warten konnten: Menschenansammlungen vor dem Eingang gelten als Sicherheitsrisisko.