Vor einem Geschworenengericht bei Paris hat der Berufungsprozess um den bayerischen Arzt Dieter K. und den Tod seiner französischen Stieftochter Kalinka begonnen. Das Drama am Bodensee liegt rund 30 Jahre zurück.

Paris - Vor einem Geschworenengericht bei Paris hat der Berufungsprozess um den bayerischen Arzt Dieter K. und den Tod seiner französischen Stieftochter Kalinka begonnen. Das Drama am Bodensee liegt rund 30 Jahre zurück.

 

Im vergangenen Jahr war der Deutsche wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge in Frankreich zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Er bestreitet die Tat und will einen Freispruch erreichen. Der Ausgang des Berufungsprozesses, der bis zum 14. Dezember terminiert ist, ist völlig unklar.

Der 77-Jährige wirkte geschwächt, als er am Dienstag am Arm einer Dolmetscherin in einer verglasten Kabine im Gerichtssaal Platz nahm - im Blickfeld des leiblichen Vaters Kalinkas, André Bamberski (75), einem früheren Wirtschaftsprüfer aus Toulouse. Bamberski ist überzeugt, dass Dieter K. seine Tochter vergewaltigt und vorsätzlich getötet hat.

"Ich hatte keinen Grund, Kalinka zu töten, das ist eine Erfindung"

Dieter K. hat die Tat erneut abgestritten. „Ich hatte keinen Grund, Kalinka zu töten, das ist eine Erfindung“, sagte er auf Französisch. Seine Anwälte wollen die Einstellung des Verfahrens erreichen.

Bamberski erwartet von diesem Prozess, „dass Dieter K. verurteilt wird wegen Mordes an Kalinka, die damals noch nicht 15 Jahre alt war“. Der Vater Kalinkas hatte Dieter K. vor über drei Jahren aus Lindau am Bodensee entführen lassen und der französischen Justiz übergeben. Ohne die Verschleppung wäre Dieter K. ein Prozess in Frankreich erspart geblieben. Die Bundesrepublik lieferte den bayerischen Arzt nie aus, weil die deutsche Justiz schon Jahre zuvor ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt hatte.

Dieter K. und seine Anwälte halten wegen der illegalen Entführungsaktion das Verfahren für unrechtmäßig. Sein Mandant sei unschuldig und unter absolut unannehmbaren Bedingungen nach Frankreich verschleppt worden, sagte zum Prozessauftakt Anwalt Philippe Ohayon. „Diesen Prozess hätte es gar nicht geben dürfen“.

Ohayon sprach außerdem von einem „eisernen Vorhang“ zwischen Deutschland und Frankreich, da Deutschland die Beweismittel nicht herausgeben wolle. Er fügte hinzu, der Angeklagte werde als verurteilter Kinderschänder von Mithäftlingen im Gefängnis „schikaniert“.

Bei den Ermittlungen zum Tod der damals 14-Jährigen gab es zahlreiche Pannen. So verschwanden unter anderem Gewebeprobe des Opfers und der Autopsiebericht ließ zahlreiche Fragen unbeantwortet. Dennoch sahen es Richter und Geschworene im vergangenen Jahr in Frankreich als erwiesen an, dass Dieter K. seine Stieftochter vergewaltigen wollte und ihr ein Beruhigungsmittel sowie eine Eisenspritze verabreichte. Infolge der Injektion soll das Mädchen dann gestorben sein.

Dieter K. war 1997 wegen eines Sexualdelikts in Kempten verurteilt worden, bei dem Prozess hatte er auch seine Zulassung als Arzt verloren. Damals hatte er eine 16-Jährige mit Schlafmitteln ruhig gestellt und vergewaltigt. Das Urteil von zwei Jahren Haft auf Bewährung hatte den Protest von Frauengruppen ausgelöst, die die Strafe als zu milde verurteilten.