Auch nach der neuerlichen Corona-Verordnung ist ein Regelbetrieb in den Kitas nicht in Sicht. In Stuttgart verfolgen die Träger unterschiedliche Konzepte bei der Auswahl der Kinder. Nicht alle Antragsteller kommen zum Zug.

Stuttgart - Die Kitas und die Kindertagespflege öffnen schrittweise wieder für mehr Kinder. Das hatte das Kultusministerium am 14. Mai angekündigt. Dafür hat es Regeln aufgestellt, welche Kinder Vorrang bei der Betreuung haben. So manche Eltern freuten sich bereits auf einen Fast-Regelbetrieb. Doch dem ist in Stuttgart nicht so, wie eine Nachfrage bei den Kitaträgern zeigt. Der städtische Träger erhielt nun 4204 Anträge auf Kinderbetreuung – also fast von der Hälfte der regulär betreuten Kinder. „Vorläufig konnten 324 Anträge nicht bedient werden“, erklärte Katrin Schulze, Abteilungsleiterin im Jugendamt, am Montag. Man werde aber durch Springkräfte im Lauf der nächsten Tage versuchen, auch diesen Kindern eine Betreuung zu ermöglichen.

 

Bei der Gruppe der Kinder, die der städtische Träger nicht berücksichtigen konnte, handele es sich um Familien, in denen die Eltern zwar eine Unabkömmlichkeitsbescheinigung vom Arbeitgeber vorlegen konnten – aber nicht aus den sogenannten systemrelevanten Berufen. „Blaulichtkinder haben absoluten Vorrang“, betont Schulze.

Die Stadt Stuttgart lehnt eine rollierende Kitabetreuung ab

Der Knackpunkt ist, dass laut Corona-Verordnung maximal nur die Hälfte der Kinder gleichzeitig in ihrer Einrichtung sein dürfen. Um dennoch mehr als die Hälfte der Kinder zum Zug kommen zu lassen, müsste parallel zu den notbetreuten Kindern ein Schichtbetrieb oder ein rollierendes System für die anderen Kinder eingeführt werden. Das lehnt die Stadt Stuttgart als größter Kitaträger ab: „Wir halten ein rollierendes System aus Gründen des Infektionsschutzes für nicht umsetzbar“, erklärte Jugendamtschefin Susanne Heynen. Um dennoch weitere Kinder bedienen zu können, müsse man bei ihnen zeitliche Abstriche machen, so Schulze – „aber das entlastet trotzdem die Familien und bringt ihnen ein kleines Stück Normalität zurück“.

Beim evangelischen Kitaträger könne man 1800 der insgesamt 5500 Kinder in der erweiterten Notbetreuung aufnehmen, so Jörg Schulze-Gronemeyer. Eine Übersicht über mögliche Absagen habe er noch nicht. Bei der Vorrang-Gruppe, nämlich „Blaulichtkinder“, Kinderschutz-Kinder und Kinder, deren Eltern eine Unabkömmlichkeitsbescheinigung vorlegen können, habe man alle Antragsteller berücksichtigen können, für sie gebe es, sofern Bedarf, auch keine Schließzeiten.

Zweitwichtigste Gruppe seien die Kinder mit besonderem Förderbedarf, etwa bei der Sprache. Damit auch viele von ihnen zum Zug kommen, verringere man bei ihnen die Betreuungszeit: „Statt täglich kommen die Kinder nur dreimal pro Woche“ – aber mit festem Personal, wie Schulze-Gronemeyer betont. Wenn dann noch Luft sei, berücksichtige man auch Kinder von Eltern, die im Homeoffice arbeiten sowie künftige Erstklässler – aber nur tageweise.

Der evangelische Kitaträger peilt eine individuellere Risikobewertung an

Derzeit seien in den evangelischen Kitas 70 Prozent des Personals einsatzfähig. „Wir setzen Fachkräfte aus der Risikogruppe Ü 60 bis 15. Juni nur zurückhaltend ein“, so Schulze-Gronemeyer. Man werde aber den Infektionsverlauf in den nächsten Wochen beobachten und dann in den Einrichtungen eine individuellere Risikobewertung vornehmen. „Wenn der Verlauf so bleibt, rechnen wir nach den Pfingstferien mit einer weiteren Öffnung.“

Während einige Eltern bewusst noch abwarten, gibt es auch einigen Unmut über die Corona-Verordnung. So kritisiert ein Stuttgarter Kitavater, dass die Elternschaft weiter gespalten werde „in wichtige und systemrelevante Eltern – und die anderen“. Der Vater weiter: „Wer sagt, Eltern könnten im Homeoffice arbeiten, um Kinder zu betreuen, hat weder verstanden, was es heißt, im Homeoffice zu arbeiten, noch was es bedeutet, ein Kleinkind zu betreuen.“ Die jetzt in Kraft getretene Regelung widerspreche dem von Kultusministerin Susanne Eisenmann formulierten Ziel, „möglichst allen Familien und Kindern zumindest zeitweise eine Betreuung anbieten zu können“.

Freies Trägernetzwerk will alle Kinder bedienen und führt Schichtbetrieb ein

Genau darum bemüht sich auch Konzept-e, ein freies Trägernetzwerk für Bildung und Betreuung. „Fast alle Kinder, deren Eltern das wollen, sind in der Kita-Betreuung“, berichtet Geschäftsführerin Waltraud Weegmann. Die Rede ist von 1600 Kindern. Sie räumt aber ein, das sei „ein organisatorischer Hochaufwand und schwer zu steuern“. Zum einen der Vollbetrieb in der engeren Notbetreuung, für die anderen Kinder führe man jetzt einen Schichtbetrieb an einzelnen, aber ganzen Tagen ein: montags/dienstags sowie mittwochs/donnerstags – jeweils in festen Gruppen. Möglich sei dies auch, weil man viele jüngere Fachkräfte und kaum vulnerables Personal habe.

Nicht nur Weegmann wünscht sich, dass die Corona-Verordnung zeitiger und klarer vor Fristende fortgeschrieben wird und so für alle Beteiligten planbarer umgesetzt werden kann. Mehr Präzision fordert in einem Brief an Eisenmann auch eine Kitaleiterin aus Stuttgart-Vaihingen.