Nach mancher Coronapause lockt dieser Sommer wieder die Filmfreunde vor die Leinwände im Remstal. Den Auftakt macht bereits in dieser Woche das Waiblinger Open-Air-Kinovergnügen. Das 31. Sommernachtskino in Fellbach folgt Mitte August.

Amtlich beglaubigt ist es nicht, aber die redaktionellen Recherchen ergeben: Der bisherige Rekordhalter ist raus. Wie es bei der Stadt heißt, gibt es diesmal kein Schorndorfer Sommerfilmfestival. Dabei war das mehrtägige Kinoprogramm unter freiem Himmel in der Daimlerstadt einst bei der Premiere 1988 Vorreiter im Großraum Mittlerer Neckar. Das Festival vor der Esslinger Burg, von manchen als schönste Location für ein solches Ereignis eingestuft, startete erst 1993.

 

Somit hat Fellbach den Titel des traditionsreichsten Sommerfilmfestivals in der Region Stuttgart übernommen. Vom 13. bis 20. August 2022 findet die 31. Auflage seit dem Start im Jahr 1991 statt – nach einer coronabedingten Pause vor zwei Jahren. Heuer ist auch wieder die Vollauslastung mit 650 Stühlen möglich. Ausgerichtet wird das Fellbacher Filmfest vom Ludwigsburger Verein Kinokult, der auch das dortige, vom 30. Juli bis 21. August im Kunstzentrum Karlskaserne stattfindende 30. Ludwigsburger Sommernachtskino veranstaltet – und überdies das Programmkino Orfeo im Kellergewölbe des Großen Hauses im Fellbacher Stadtteil Schmiden betreibt.

20 bis 30 Helferinnen und Helfer

„Wir haben mittlerweile ziemlich viel Routine“, sagt Melanie Hoffmann vom Verein Kinokult, zugleich Programmleiterin im Orfeo und auch für die Filmauswahl des Fellbacher Festivals verantwortlich. „Das Leinwandgerüst wird am Donnerstag vor dem Start aufgestellt, die Leinwand selbst dann am Freitag, und die Stühle im Rathausinnenhof platzieren wir am Nachmittag vor der ersten Vorführung am Samstagabend.“ Ihre regelmäßig 20 bis 30 Helferinnen und Helfer haben bereits vor Monaten zugesagt „und freuen sich riesig, wieder bei unserem Kinofest dabei sein zu können“. Pro Abend sind sechs Leute vor Ort, etwa beim Einlass an der Kasse am Nordportal des Rathausinnenhofs oder hinter den Kulissen.

„Es ist einfach eine wunderbare Location“, ergänzt Maja Heidenreich vom Mitveranstalter, dem Fellbacher Kulturamt. Wer weiter hinten sitzt, erkennt die Lutherkirche über der Leinwand, das Publikum ist umgeben von den schützenden Mauern des Rathauses, „da wirkt es fast wie ein Saal“, sagt sie, „man hört deshalb auch wenig Lärm von außerhalb etwa von den umliegenden Straßen oder der nahen Stadtbahn“. Umgekehrt stören sich wohl auch die Nachbarn nicht an der Geräuschkulisse – nur 1997, erinnern sich Sommerkinoveteranen, gab es mal Beschwerden wegen der Lautstärke, was dazu führte, dass anschließend ausgerechnet beim Knaller „Lola rennt“ der Lautstärkeregler deutlich geringer aufgedreht wurde. Doch das ist im aktuellen Hochsommer Schnee von gestern. Die Anwohner rundherum erhalten überdies einen Gutschein für einen Filmabend nach Wahl.

Nichts rattert mehr wie früher

Längst vorbei sind übrigens auch die Zeiten, „als wir mehr als 25 Kilogramm schwere Filmkopien durch die Gegend schleppen mussten“, erinnert sich die 42-jährige Melanie Hoffmann an ihre Anfänge. Weiteres früheres Problem: „Auf den großen Leinwänden waren Gebrauchsspuren wie Laufstreifen, Kratzer oder Sprünge umso deutlicher zu sehen.“ Mittlerweile ist es für die Vorführer also deutlich bequemer – allerdings beklagte sich vor einigen Jahren mal ein Orfeo-Besucher: „Da fehlt ja jede Romantik, wenn nichts mehr so rattert wie früher.“ – Die Programmauswahl hält die Macherin auch in diesem Jahr für mehr als vorzeigbar. „So passt unser Auftaktfilm ,West Side Story‘ von der Atmosphäre her ideal zum Backstein-Innenhof.“ Vermutlich zügig ausverkauft sein wird „Guglhupfgeschwader“, der neue Streifen um den bayerischen Provinzpolizisten Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel) – beim Ludwigsburger Sommerkinopendant wurde mittlerweile wegen der riesigen Nachfrage gar eine dritte Vorstellung anberaumt. Während Waiblinger Sommernachtskinofreunde sich noch mit dem Vorgänger „Kaiserschmarrndrama“ begnügen müssen (läuft dort am 29. Juli), haben die Fellbacher die aktuelle Krimikomödie an Land gezogen – weil der Bundesstart den Waiblingern den Zugriff auf den aktuellen Film verwehrte.

Warum Kinobetreiber Bananen fürchten

Zu den „Minions“ am 18. August kommt womöglich ein besonders gut gekleidetes Publikum. In den vergangenen Wochen ist es nämlich bundesweit Usus geworden, dass „Jugendliche mit ihrem Abschlussballanzug oder -kleid diesen Film besuchen“, so Hoffmann. Da die Minions massenhaft Bananen vertilgen, haben viele junge Zuschauer zudem das gelbe Obst dabei. „Warum Kinobetreiber Bananen fürchten“, lauteten zuletzt die Schlagzeilen nach verschmutzten Kinosälen in Köln oder München. Na, in Fellbach unter freiem Himmel werden sich die Gentleminions sicher zu benehmen wissen.

Deutlich gesetzter könnte es am vorletzten Abend werden, bei „Elvis“ – eventuell mit Fans der ersten Stunde? Als der Film kürzlich nachmittags im Orfeo lief, kam eine begeisterte Seniorin, die in den 50er Jahren schon Presleys Charme und seinem Hüftschwung kaum widerstehen konnte.

Frivoles am Sommerabend

Unwiderstehlich – so hätte es gerne die von Emma Thompson sensationell gespielte verwitwete Lehrerin Nancy Stokes, die in „Meine Stunden mit Leo“ einen Callboy für eine Nacht engagiert. Der Film hat hervorragende Kritiken eingefahren, weiß Melanie Hoffmann: „Das ist doch super: zum Abschluss des Festivals ein bisschen Frivoles an einem warmen Sommerabend.“

Mit dem Wetter hatten die Fellbacher Veranstalter in den drei Jahrzehnten selten Probleme. „Wir spielen bei Wind und Wetter, es sei denn, es hagelt, oder das Rathaus säuft ab.“ Bisher habe noch nie vorher abgesagt werden müssen, nur einmal wurde abgebrochen. „Wir haben viele Profizuschauer, die kommen an fünf Abenden“, berichtet Hoffmann. „Bei schlechtem Wetter legen die ihre mitgebrachte Picknickdecke verkehrt herum auf die Oberschenkel oder haben Müllsäcke mit, um bei Regen ihre Beine reinzustellen.“ Wenn der Sommer aber so weitermacht wie bisher, ist auch im Fellbacher Rathausinnenhof mit Tropfen von oben nicht zu rechnen.

Programm in Waiblingen und Fellbach

Waiblingen
Erst Waiblingen, dann Fellbach: Das 23. cineastische Open-Air-Fest in der Kreishauptstadt beginnt am Donnerstag, 28. Juli, mit „Contra“, in den Hauptrollen agieren Nilam Farooq und Christoph Maria Herbst. Am Freitag, 29. Juli, folgt „Kaiserschmarrndrama“, tags drauf mit „Wunderschön“ der einzige Film, der auf beiden Festivals im vorderen Remstal zu sehen ist. „À la Carte – Liebe geht durch den Magen“ heißt es am 31. Juli. Zum Schluss gibt es „Tod auf dem Nil“ (1. August) und „Meine schrecklich verwöhnte Familie“ (2. August). Die vom Traumpalast-Team organisierten Kinonächte unter dem Sternenhimmel finden auf dem Elsbeth-und-Hermann-Zeller-Platz, zwischen Volkshochschule und Michaelskirche gelegen, statt. Karten nur an der Abendkasse zu zehn Euro. Beginn gegen 21.30 Uhr.

Fellbach
Das Programm in Fellbach: Samstag, 13. August: „West Side Story“. Sonntag, 14. August: „Guglhupfgeschwader“. Montag, 15. August: „Wunderschön“. Dienstag, 16. August: „Monsieur Claude und sein großes Fest“. Mittwoch, 17. August: „Die Zeit, die wir teilen“ (Preview). Donnerstag, 18. August: „Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss“ (Familienabend). Freitag, 19. August: „Elvis“. Samstag, 20. August: „Meine Stunden mit Leo“. Beginn jeweils um 21.15 Uhr. Der Eintritt beträgt 13 Euro (Abendkasse), am Familientag 9 Euro. Vorverkauf im i-Punkt Fellbach oder unter www.kinokult.de.