Ina Müller hat in der bestenfalls luftig gefüllten Stuttgarter Schleyerhalle gescherzt und gesungen. Aber das Showdampfer-Konzept geht nicht so recht auf. Auf der großen Bühne konnte sich die Showmasterin nicht zwischen Musik und Kleinkunst entscheiden.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Zu gut einem Drittel ist die bestuhlte und im hinteren Bereich so schamvoll wie großzügig abgehängte Schleyerhalle am Freitagabend gefüllt, als Ina Müller sie ohne Vorprogramm um zehn nach acht betritt. Am verwaisten Verpflegungsstand nutzen acht Bedienstete in staunenswert choreografierter Einmütigkeit die Gelegenheit, endlich mal wieder ein wenig auf ihren Mobiltelefonen herumdrücken zu können, in unserem Sitzblock eine Mutter nebst begleitender Tochter (oder ist es umgekehrt?) die Chance, zwischen ausnahmslos jedem Platz frei auswählen zu können, wodurch ihnen freier Ausblick auf die bestens auszumachenden ADAC-Werbebanden gewährt ist. Luftig geht es zu im weiten Rund, im wahrsten Wortsinn offensichtlich ist für die Dame aus Hamburg eine viel zu große Arena gebucht worden.

 

Wie kommt’s zu diesem schütteren Besuch? Einerseits durfte man sich natürlich schon im Vorfeld gedacht haben, dass Stuttgarts größte Halle vom Fassungsvermögen her trotz aller Medienpräsenz der 48-Jährigen wohl doch etwas zu ambitioniert für die aus der Nähe von Cuxhaven stammende Bauerntochter ist. Zum zweiten mag es daran liegen, dass viele potenzielle Besucher im Vorfeld mutmaßen durften, dass ein gut funktionierendes Clubkonzept wie „Inas Nacht“ nicht umstandslos in eine Riesenmehrzweckarena transferierbar ist. Und drittens mag es natürlich daran liegen, dass die Dame eben keine Dame ist. Sondern eine gestandene Frau, der manche kessen Charme attestieren, die andere jedoch als ungehobelte, grobschlächtige und zotige Leichtmatrosin abstempeln.

Konstruktionsmängel einer Show

Wie so oft im Leben liegt die Wahrheit wahrscheinlich in der Mitte. Dennoch lassen sich die Konstruktionsmängel ihrer aktuellen Show nicht wegdiskutieren. Es wirkt schlichtweg unglaubwürdig, wenn eine nicht auf den Mund gefallene, prominente, wohlhabende, gertenschlanke, höchst elegant bekleidete und zweifellos auch optisch attraktive Frau ausufernd in der Schleyerhalle mit um die ewig gleichen Sujets kreisender Eintönigkeit beklagt, dass sie nie die richtigen Worte fände, ein Mauerblümchendasein fristen müsse, bei den männlichen Zeitgenossen angesichts des galoppierenden Altersverfallsprozesses stets um Aufmerksamkeit zu buhlen habe und sich jedes Duplo angesichts des drohenden Hüftgolds abringen müsse. Viel, sehr viel erzählt sie schwadronierend in ihren extrem langatmigen Interludien, die verhindern, dass dieser Abend seiner Bestimmung zu geführt wird: nämlich ein Konzert zu sein, in dem hinreichend musiziert wird. Zwischenzeitlich wird noch ein Piano auf die Bühne geschoben - „denn wenn man am Flügel sitzt, fühlt man sich unglaublich schlau, und ich will ja nicht immer nur übers Bumsen reden“, so Ina Müller über dessen Zweckmäßigkeit – aber auch das reißt es nicht mehr heraus.

Die sehr ausgeprägt vorhandenen gesanglichen Fähigkeiten Ina Müllers nebst der launig dazu gedrechselten Texte kommen in der Schleyerhalle leider viel zu kurz, fast meint man, dass aus ihrem Songmaterial sogar bewusst arglose Ware ausgewählt wurde, in deren intellektuell nicht eben überfordernden Texten es sich etwa um Einkaufserlebnisse bei Zalando dreht – was wiederum verhindert, dass aus dem Abend zumindest eine verrucht-frivole Nummernrevue wird. Die in den länglichen Wortpassagen gerissenen Possen (Kostproben gefällig: „Gott hat gewollt, dass wir nachts Schokolade essen, sonst gäbe es keine Kühlschränke“ respektive „Wenn die Stiftung Warentest Vibratoren testet – ist dann ,befriedigend’ nicht besser als ,gut’?“) – nun ja, von der gelernten Apothekenhelferin Ina Müller serviertes kleines Alltagsfluchtbeglaubigungsniveau, Weltklasse nicht gerade.

Weder Musik- noch Kleinkunstabend

Die Band, in den Hintergrund verbannt und ohne künstlerische Tupfer zu setzen ausschließlich zu Begleitzwecken anwesend, spielt solide – aber dies tut (jenseits der berechtigten Erwartungshaltung, dass dies eine professionelle Begleitband in der Schleyerhalle immer vermag) die Kombo im Schellfischposten auch, jener Kneipe, aus der Ina Müller für gewöhnlich munter quasselnd und mit anregend eingestreuten Musikeinlagen garniert ihre Show „Inas Nacht“ ausstrahlen lässt. In der engen Hamburger Kaschemme funktioniert das in seiner Spontaneität und dank ihrer Schlagfertigkeit auch prächtig. Auf der großen Bühne indes: da will das Konzept des verkappten Konzerts, des in sehr seichten Gewässern schippernden Showdampfers so gar nicht aufgehen. Was Ina Müller anbietet, ist weder ein Musik- noch ein Kleinkunstabend, weder Fisch noch Fleisch. Und das ist auf diesem Niveau nicht viel.