Farben und Musik, Herzschmerz und Witzeleien: Von Mittwoch bis Sonntag zeigt das zehnte Indische Filmfestival im Metropol in Stuttgart wieder Buntes und Brutales. Und, dass Bollywood mehr kann.

Stuttgart - Eine Windmaschine der guten Laune, die auf höchsten Touren Farben und Musik, Herzschmerz und Witzeleien, Aufstiegsglück und nimmer endende Liebe durch die Kinos bläst – das ist das gängige Bild von Bollywood. Das 10. Indische Filmfest Stuttgart, das am Mittwoch um 20 Uhr mit dem Episodenfilm „Bombay Talkies“ im Metropol eröffnet wird, hat durchaus auch Filme zu bieten, die alle Gedanken an die Realität für drei Stunden wegpusten möchten. Vor allem aber geht es dem Festival darum, zu zeigen, dass Bollywood mehr ist als eine Windmaschine.

 

Die heile Welt hat längst auch im indischen Unterhaltungskino jede Menge Sprünge, Schrammen und Narben. Krimis und Thriller aller Tonlagen und Härtegrade sind überall auf der Welt das Mittel der Wahl, von Problemen und Spannungen zu erzählen, ohne das Publikum mit dem ernsten Gebaren des gefürchteten Problemfilms zu verschrecken. Und so haben denn auch beim Indischen Filmfest die Krimis mittlerweile einen Stammplatz.

Junge Inder finden, es sei Zeit für einen Wandel

„Talaash – The Answer lies within“ von Reema Kagti (morgen, 20 Uhr) erzählt vom Tod eines Bollywood-Stars und von den Ermittlungen einer Polizei, die beständig auf die realen Netzwerke und wortlosen Absprachen der Gesellschaft Rücksicht nehmen muss. Der Thriller „I.D.“ (Samstag, 15 Uhr) von Kamal K.M. handelt von der Verlorenheit in den urbanen Ballungszentren, von einer Gesellschaft, deren alte Bindungen nicht mehr schützen und halten. Eine junge Frau zieht hier frisch nach Mumbai in ein Hochhaus und steckt mitten drin in einer bedrohlichen Geschichte, in der sie nicht mehr weiß, wer wer ist.

Wenn Indien in letzter Zeit bei uns in den Nachrichten auftauchte, ging es meist um Vergewaltigungen, und die Interpretation kam auf, die seien eben keine Einzeltaten, sondern Ausdruck einer horrenden Geringschätzung der Frau in Teilen der Gesellschaft. Gerade junge Inder signalisierten, nun sei es Zeit für einen Wandel. Die Berichterstattung über die Verbrechen ließe kein weiteres Verschweigen, Vertuschen, gar Kriminalisieren der Opfer zu. Es gab aber auch Stimmen, die den westlichen Medien vorwarfen, das Problem maßlos zu verzerren, um einen neuen Wirtschaftskonkurrenten zu denunzieren.

In Bollywood geht es nie um die ganz harten Konflikte

Noch kann man nicht sagen, wie Bollywood und die Filmszene jenseits von Bollywood auf diese Debatte reagieren wird. Trotzdem finden sich Bilder zum Thema auch im diesjährigen Festivalprogramm. Der Dokumentarfilm „Salma“ von Kim Longinotto (Sonntag, 16 Uhr) porträtiert eine Frau, die in rückständigen Verhältnissen im muslimischen Südindien aufwuchs. Mit Beginn der Pubertät werden die Mädchen dort Gefangene der eigenen Familie, bis eine Zwangsheirat sie in die Obhut eines neuen Gefängniswärters, des Ehemanns, überführt. Die Protagonistin Salma aber ist diesem brutalen Elend nach langer Zeit doch noch entkommen und sogar Politikerin geworden.

Keinesfalls aber geht es immer um die ganz harten Konflikte, wenn dieses Festival mal nicht Gesang und Tanz präsentiert. Suman Ghoshs „Shyamal Uncle turns off the Lights“ ist ein wunderbares Schelmenstück, das Mittel des dokumentarischen Kinos nutzt . Es erzählt vom Kampf eines alten Mannes, der möchte, dass die auch tagsüber brennende Straßenbeleuchtung erst bei Dunkelheit angeschaltet wird. Der Bürokratie gefällt das aber ganz und gar nicht: „India is shining“, erklärt man ihm, Indien strahle eben hell.

Dass einer der Pioniere Bollywoods, Franz Osten (1876-1956), aus Deutschland kam, konnte man schon in früheren Festivalprogrammen erfahren. Am Samstag um 18 Uhr zeigen die Festivalmacher um Oliver Mahn vom Filmbüro Baden-Württemberg nun Ostens „Schicksalswürfel“ von 1929, mit dem auch bei einem Festakt in Neu-Delhi der hundertste Geburtstag Bollywoods begangen wurde. Der Sitar-Meister Nishat Khan wird Live-Musik zum Stummfilm liefern. Wer sich als Bollywood-Neuling vor den epischen Filmlängen fürchtet, kann sich hier furchtlos nähern: Die „Schicksalswürfel“ rollen 75 Minuten lang.