Kraftdemonstration auf der Messe in Hannover: Die deutsche Industrie ist so gut ausgelastet wie seit zehn Jahren nicht mehr. Derzeit wird in den Fabriken auf vollen Touren gearbeitet. Doch die Risiken nehmen zu.

Hannover - Trotz diverser Risiken präsentiert sich die deutsche Industrie dieser Tage in Topform. „Die Unternehmen sind mit viel Schwung ins neue Jahr gegangen“, sagte Carl Martin Welcker, der Präsident des Maschinenbauverbands VDMA, auf der Industriemesse in Hannover. Deshalb hat der Verband seine Erwartungen für das laufende Jahr nach oben korrigiert. Statt wie bisher drei Prozent, erwartet Welcker nun, dass die deutschen Maschinenbauer ihre Produktion um fünf Prozent steigern werden. Damit entwickelt sich der Maschinenbau dynamischer als andere Industrien. Über alle Industriezweige hinweg wird mit einem Produktionsplus von 2,5 Prozent gerechnet, sagte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Gleichzeitig dämpft Kempf aber die Zuversicht: „Besser als in diesem Jahr wird es wohl nicht mehr“, sagte er mit Blick auf die immer größere Bedrohung des freien Welthandels und den Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit).

 

Der Brexit könnte die Unternehmen hart treffen

Derzeit wird in den Fabriken offensichtlich auf vollen Touren gearbeitet. Die Auslastung der Kapazitäten liege bei knapp 88 Prozent. „Das ist der höchste Auslastungsgrad seit April 2012“, sagte VDMA-Chef Welcker. Kempf hat sogar von einem Zehn-Jahres-Hoch gesprochen. Die Geschäfte mit den USA – der größte Auslandsmarkt der deutschen Maschinenbauer – entwickeln sich recht dynamisch, so Welcker. Auch der Inlandsumsatz sei rege. Damit könne die in diesem Jahr zu erwartende Entschleunigung im China-Geschäft sowie der Rückgang im Handel mit Großbritannien überkompensiert werden, so Welcker. Der Brexit könnte die Maschinenbauer hart treffen; einen Rückgang in prozentual zweistelliger Größenordnungen wollte Welcker nicht ausschließen.

80 Prozent der Maschinen gehen ins Ausland

Sorgen bereitet dem VDMA-Chef der Protektionismus in vielen Ländern. Er sprach von einer „erratischen Handelspolitik“ des US-Präsidenten. Nicht zuletzt durch mögliche Strafzölle drohe die Gefahr, dass der Welthandel weiter geschwächt werde. Dies würde den exportorientierten Maschinenbau hart treffen, so Welcker. Knapp 80 Prozent der hierzulande gefertigten Maschinen sind für Kunden im Ausland bestimmt. „Mehr als 600 000 Arbeitnehmer sind direkt dem Exportgeschäft der Maschinenbauindustrie zuzuordnen“, so Welcker. Insgesamt beschäftigt die deutsche Vorzeigebranche 1,35 Millionen Mitarbeiter hierzulande und weitere 400 000 Mitarbeiter im Ausland. Damit sei der Maschinenbau der größte industrielle Arbeitgeber.

Die Industrieverbände haben auch der Politik einige Hausaufgaben mitgegeben. Dazu gehört etwa die Hilfe bei der Exportförderung für den Mittelstand. Deutsche Banken würden nur noch in Ausnahmefällen eine Exportfinanzierung für geringere Summen anbieten – sogenannte „kleine Tickets“ bis fünf Millionen Euro. „Wir brauchen hierfür ein verlässliches Bankangebot“, so Welcker. Er fordert die Bundesregierung zudem auf, die Hermes-Deckung für Kredite bis fünf Millionen Euro zu vereinfachen. Mehr noch: Der VDMA-Präsident mahnt eine Exportpolitik an, die sich an den Belangen des Mittelstands orientiert. „Wir brauchen eine Ansprechstelle für Exportthemen“, so Welcker. Wenn es um Zoll- oder Visafragen gehe, fühle sich kein Minister, kein Ministerium, kein Ausschuss des Bundestags, „ja nicht mal ein Unterausschuss“ zuständig, kritisierte Welcker.

Steuerliche Forschungsförderung gefordert

Auch der Breitband-Ausbau geht der Industrie zu langsam. „Bei der Digitalisierung ist der große Wurf auch nach dem Start der neuen Bundesregierung nicht erkennbar“, so Kempf. Viele geplante Maßnahmen seien vage, wie das Recht auf Breitband-Anschluss bis zum Jahr 2025. In dieser Unklarheit würde die Netzbetreiber, die in den Breitbandausbau investieren wollen, verunsichert. Ohne Breitband gebe es aber keine digitalen Innovationen, stellte Kempf klar. Er begrüßte die Pläne der Bundesregierung, die Ausgaben von Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Nur: „Angesichts des finanzpolitischen Spielraums könnte ich mir mehr vorstellen“, so Kempf.

Als dringend mahnte er die steuerliche Forschungsförderung an. „Wir im BDI schlagen als Einstieg eine steuerliche Forschungsförderung vor, bei der zehn Prozent der Personalkosten in Forschung und Entwicklung bei der Steuerlast angerechnet werden“, sagte er. Bei der Eröffnungsfeier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Unternehmern Unterstützung etwa bei der Forschungsförderung zugesagt. „Da reden wir schon einige Jahre drüber, diesmal müssen wir es schaffen“, sagte Merkel. Sie verwies auf die Regierungsbildung, die sechs Monate gedauert habe: „Das darf nicht der Maßstab sein, wie wir weiter arbeiten.“