Wirtschaftsminister Peter Altmaier sorgt sich gerade sehr um die Zukunft der deutschen Industrie. Nun plant er eine Initiative mit seinem französischen Kollegen. Im Inland bringen ihm seine Vorstellungen gerade viel Ärger ein.

Berlin - Nach dem Veto der EU-Kommission gegen eine Fusion der Bahntechnik-Anbieter Siemens und Alstom dringen Deutschland und Frankreich gemeinsam auf eine Reform des europäischen Wettbewerbsrechts. Bei einem Treffen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire am Dienstag in Berlin werde es unter anderem um europäische Industriepolitik gehen, kündigte ein Sprecher Altmaiers an.

 

Der Minister selbst sagte der „Financial Times“, auf den Weltmärkten stünden europäische Unternehmen häufig im Wettbewerb mit Anbietern aus den USA oder Asien, die in ihrer Heimat sehr stark seien. Deshalb müsse Europa seinen Unternehmen ebenfalls gestatten, „Global Player zu werden, die groß genug sind, um sich im Wettbewerb zu behaupten“.

Die EU-Kommission hatte Anfang Februar die geplante Bildung eines deutsch-französischen Bahntechnik-Konzerns untersagt. Der ICE-Hersteller Siemens wollte seine Transportsparte mit dem französischen TGV-Produzenten Alstom verschmelzen. Ziel war unter anderem, dem chinesischen Weltmarktführer CRRC besser Paroli bieten zu können. Die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager kam aber zu dem Schluss, dass die Fusion den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt gefährden würde. Deutschland und Frankreich dringen nun darauf, dass bei der Bewertung von Fusionsvorhaben nicht allein der europäische, sondern auch der Weltmarkt betrachtet wird.

Kritik aus allen Lagern

Das Thema Fusionskontrolle spielt auch eine Rolle im Entwurf für eine „Nationale Industriestrategie 2030“, den Altmaier in der vorvergangenen Woche vorgelegt hatte. Darin heißt es, dass für deutsche und europäische Unternehmen ein Wettbewerb „auf Augenhöhe“ möglich bleiben müsse. Am Mittwoch wird sich der Bundestag mit Altmaiers Strategie befassen. In seinem Papier argumentiert der Minister zugleich, dass Deutschland Schlüsselbranchen wie etwa die Automobil- oder Chemie-Industrie verteidigen müsse. Gleichzeitig müsse es sich anstrengen, um in Zukunftsfeldern wie der Batteriezellen-Fertigung den Anschluss zu schaffen. Besonders umstritten ist Altmaiers Vorschlag, eine nationale „Beteiligungsfazilität“ aufzubauen – also eine Art staatlicher Investitionsgesellschaft. Sie soll in Ausnahmefällen direkt und zeitlich befristet Anteile an strategisch wichtigen Firmen erwerben können und so verhindern, dass diese beispielsweise an chinesische Konzerne fallen.

Die Idee des CDU-Ministers trifft auf große Vorbehalte, in der Wirtschaft ebenso wie in Koalition und Opposition. Die FDP etwa wirft Altmaier vor, sich in Panik vor dem Aufstieg Chinas von der Marktwirtschaft zu verabschieden. Die Grünen im Bundestag machten am Montag deutlich, dass sie Altmaiers „Beteiligungsfazilität“ ebenfalls für ordnungspolitisch fragwürdig halten. „Wenn der Staat bei einem Unternehmen reingeht, verschafft er ihm gegenüber anderen sofort einen Vorteil“, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin Kerstin Andreae unserer Zeitung. Die Freiburger Abgeordnete ergänzte, insgesamt gingen ihr die Vorschläge des Ministers „zu wenig in Richtung Innovation und zu sehr in Richtung Bestandswahrung – das ist fatal“.

Regeln verschärft

Andreae sagte, viel sinnvoller als der Aufbau einer staatlichen Gesellschaft zur Verhinderung von Übernahmen wäre die Einrichtung eines Fonds mit der Aufgabe, gezielt Innovationen in deutschen Unternehmen zu fördern. Dabei solle der ökologische Wandel im Mittelpunkt stehen. „Altmaier sagt: Größe zählt. Das ist total falsch. Innovation zählt“, meinte die Abgeordnete. Ordnungspolitisch sauberer als die Abwehr von Übernahmen mit Steuermitteln wäre es, Investitionen aus Nicht-EU-Staaten genau zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen.

Die Bundesregierung hatte erst vor zwei Monaten die Vorschriften zur so genannten Investitionsprüfung verschärft. Spätestens seit der Übernahme des Augsburger Roboter-Spezialisten Kuka durch die chinesische Midea-Gruppe im Jahr 2016 diskutiert die deutsche Politik intensiv darüber, wie ein Ausverkauf heimischer Technologie verhindert werden kann.